Juli 2023

Trilogie der Abgründe, Teil 1

Die vorsätzliche Vernichtung von Beweismitteln durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken im Fall Edmund 

Ein Kommentar von Flora-Nike Göthin

Pfarrer Edmund Dillinger, ein Fall der sich seit Wochen in den Medien hält, war Mehrfachtäter. 
Ein Monsignore von hohem Rang, Bundesseelsorger des Cartellverbandes (CV) für die deutschen Katholischen Studentenverbindungen, von denen es auch in Würzburg sechs Vereinigungen gibt.
Er wurde zeitlebens ver- und geehrt, von Mitbrüdern geschützt und konnte seine Aktivitäten im Dunkeln halten, bis nach seinem Tod das Licht Gottes auf sein Schattenleben fiel.
Bereits zu Beginn der Entdeckung seines Nachlasses war von eventuellen Täternetzwerken die Rede. 

Hierzu ein Auszug aus dem Programm des Bundescartellverbandes, der Fragen in alle Richtungen offenlässt: 
z.B.: wenn statistisch ca. jedes vierte Kind sexuell ausgebeutet wird, wieviele unbekannte Täter mögen sich statistisch im Umfeld eines bekanntgewordenen Täters wie Edmund Dillinger tummeln? 

Ein Bundesseelsorger, dessen Seele selbst Unheil verbreitete, über Jahrzehnte.
Niemand hat etwas gesehen, bemerkt oder gezielt weggeschaut? Oder wer hat mitgemacht?

„Die Aufgabe eines Alten Herren erschöpft sich nicht in der Sorge um seine eigene Verbindung. Vielmehr verpflichtet ihn die Mitgliedschaft in einer CV-Verbindung, nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums und Eintritt in das Berufsleben aktiv den Kontakt zu ortsansässigen Cartellbrüdern zu suchen und diesen zu pflegen. Durch diesen Anspruch werden vor allem diejenigen Alten Herren angesprochen, die nicht (mehr) am Sitz ihrer Verbindung wohnen oder arbeiten. Diesen bietet sich in idealer Weise die Mitgliedschaft in einer der deutschlandweit ca. 250 Orts-Vereinigungen an, den so genannten CV-Zirkeln.

Zu den Mitgliedern des Cartellverbandes zählen neben etwa 4.000 Studierenden zahlreiche Fach- und Führungskräfte sowie Verantwortungsträger aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. 

Einige ragen besonders hervor wie zum Beispiel:

Kirche

  • Pacelli, Eugenio, Dr. (1876-1958), Papst Pius XII.
  • Ratzinger, Joseph, Prof. Dr. mult. (1927-2022), Papst em. Benedikt XVI. 
  • Marx, Reinhard (1953-), Erzbischof von München und Freising 
  • Hollerich, Jean-Claude, Prof. (1958-), Kardinal, Erzbischof von Luxemburg, Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft 
  • Galen, Clemens August Graf von (1878-1946), Kardinal, Seliger 
  • Bilczewski, Jòsef, Prof. Dr. (1860-1923), Erzbischof, Heiliger 

(Quelle: CV)

Nachsicht bei staatlichen Behörden

In den Amtszeiten der Bischöfe Michael Keller (1947-1961), Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) sei es durchweg zu mangelndem Umgang mit Beschuldigten und „skandalvermeidendem und strafvereitelndem“ Verhalten gekommen. In den 1945 beginnenden Untersuchungszeitraum fielen nur zehn Monate der Amtszeit von Kardinal Clemens August Graf von Galen (1933-1946). Auch in dieser Zeit war ein Fall festzustellen. In insgesamt 140 Fällen gibt es den Forschern zufolge Belege, dass die Bischöfe persönlich in Kenntnis der Vorgänge waren. Dabei gab es aber Hinweise darauf, dass es in der Bistumsleitung eine Präferenz für mündliche Absprachen gegeben habe, so dass in vielen Fällen keine schriftlichen Belege für die jeweilige Kenntnis vorlägen. (Quelle Münsteraner Gutachten)


An diesem Punkt erwachte auch das Interesse unserer Betroffeneninitiative, denn in den Heimen der Erlöser- und Niederbronnerschwestern waren körperliche und sexuelle Gewalt durch Nonnen und männliche Besucher, die gut dafür bezahlten, über vier Jahrzehnte an der Tagesordnung. 

Nicht nur die Nonnen bedienten sich der ausgelieferten Kinder, sie machten eher die „Vorarbeit“ für ihre männlichen Besucher, in dem sie testeten, welche Kinder sich besonders gut für die Zuführung an ihre perversen Kollegen eigneten. Der Bedarf an sexueller Befriedigung unter den Zölibatären war nach unseren Recherchen groß und nahezu unstillbar. 

Über die Hintergründe und Täter schweigen die Nonnen bis heute, das Bistum fühlt sich in Würzburg nur bedingt zuständig (wo es Berührungspunkte mit ihren Angestellten gibt), vieles bleibt im Dunkeln, wird auch nach fünfzehn Jahren noch ebenso schamlos vertuscht wie die Taten begangen wurden. Und werden!

Dann tauchen handfeste Beweismittel bei einem Priester auf, der bundesweite Verbindungen hatte.

Zu Ratzinger, Marx, von Galen, Hollerich…

Akribisch in seinen Terminkalendern festgehalten, hunderte von Fotos, Filmen von nackten Kindern und von sexuellen Gewalthandlungen. Aus Sicht der Betroffenen bei aller Grausamkeit ein wertvoller Schatz. Handfeste Beweise, die so selten sind, wie schwarze Trüffel.

Die Polizei Saarbrücken „sichert“ das Material, um es auszuwerten, und… (wie von uns bereits am Anfang der Berichterstattungen befürchtet)… lässt es verschwinden. 

Danach öffentlich simulierte Reue über einen „Fehler“, der nie wieder gut zu machen ist. 

Die Erschütterung unter den Betroffenen ist groß, man unterstellt den Behörden mangelnde Sensibilität und Fachwissen im klerikalen Missbrauchsangelegenheiten.

Wir glauben das Gegenteil: 

Wir gehen davon aus, dass jeder behördliche Schritt sehr wohl überlegt war. Es ging von Anfang an nur darum, die Unterlagen, die Beweismittel und vor allem noch mögliche lebende Täter mit Verbindungen in andere Bistümer der Öffentlichkeit zu entziehen.

Denn in solchen Netzwerken agieren nicht nur Kleriker. Solche Netzwerke haben Verbindungen in allen Ebenen der Gesellschaft, sonst wären sie nicht möglich. Sie handeln mit der Ware Kind und kennen keine Grenzen der Perversion. (Dutroux, Lüdge, Münster)

Es ist also keine Überraschung, kein Versehen, was in Saarbrücken passiert ist, es ist kriminelle Normalität.Es ist das nahtlose Zusammenwirken von Kirche und Staat, wie es seit Jahrzehnten funktioniert, seit sich hochrangige Kirchenmänner von deutschen  Politikern bei Lachschnittchen und gutem Wein den Zugriff auf die Kinder dieser Nation in konfessionelle Schulen schriftlich sichern ließen. 

1965, gerade als ich im Heim und somit am Ende einer unversehrten Kindheit ankam.

Dort konnte jeder jederzeit und überall zugreifen. Der Pfarrer, der Freund des Pfarrers, der Cartellbruder, der gute katholische Richter, der Jugendamtsbeamte, der Schulleiter und zahllose Ordensbrüder- und schwestern.

Die sexuelle Not der Zölibatären war auch in den 60ern genauso groß wie schon zu Hitlers Zeiten, als die damalige Justiz in Sittenprozessen (zwar mit anderen Absichten, aber wenigstens dem richtigen juristischen Ansatz) konsequent gegen klerikale Missbrauchstäter vorging. Sogar mit Einwilligung der damaligen Bischöfe, welche dieselbe Erschütterung über die Sexualverbrechen in ihren Reihen vorspielten wie heute ….

Was für ein genialer Schachzug also, unter dem Bildungsvorwand mit heiligen Atem neues Nachkriegsmaterial zu rekrutieren. 

Das Grooming von Kindern, die mittels Schulpflicht zur Schlachtbank ihrer Kindheit geführt wurden, war damals ein offizieller Akt, gegen den sich niemand wehren konnte, schon gar nicht die Kinder, deren durch unter Druck gesetzte gläubige oder gedankenlose Eltern sie der Kirche schutzlos auslieferten, oder die katholische Schule einfach nur wählten, weil sie für das Kind leichter zu erreichen war. (Quelle: „Heiliger Atem“, Spiegel 1965) 

Natürlich ist es in der Summe auch heute noch für den Staat billiger, sich der Verantwortung für die Folgen seiner Konkordatsvereinbarungen zu entziehen, ein paar Beweismittel auf Nimmerwiedersehen zu verbrennen und danach Bedauern zu heucheln, anstatt die Betroffenen zu stärken und ihnen den Weg zur Entschädigung zu ermöglichen…

Das Gras über so ein bisschen Blamage wächst schneller als die Entschädigungsprozesse entschieden werden können.

Ohne Beweismittel kann man den Betroffenen leichter Lügen und Scheinerinnerungen unterstellen.

Auch hier wird von Staat und Kirche viel Geld in Gutachten investiert, die genau das bescheinigen. um jegliche Ansprüche im Keim zu ersticken. Um Opfer wieder in ein resigniertes Schweigen zu treiben.

Der Datenschutz gilt nach wie vor nur für Täter, die Betroffenen müssen hinnehmen, dass ihre Geschichten seziert und weitergereicht werden, damit sich wieder andere mit „wissenschaftlichen“ oder „historischen“ Aufklärungsstudien daran gesundstoßen können. Oder damit befriedigen. Wer weiß das schon…

Wenn ich Zeuge Jehovas wäre, würde ich sagen „Erwachet“, aber weil ich auch mit dieser Vereinigung nichts zu tun haben möchte, bleibt mir nur zu sagen „träumt weiter“:

von einer bessern Kirche, einem verantwortungsbewussten Staat, von Gerechtigkeit und Empathie für Betroffene. 

Und passt auf, dass sich Euer Blick niemals klärt, denn die Wahrheit ist so hässlich, wie ein schwitzender onanierender Priester, dessen Anblick ein sechsjähriges Kind nie wieder vergisst, wenn es für den Geweihten seine Unschuld und Kindheit opfern muss.

Von den Schmerzen, der Angst und Demütigung durch weitergehende Übergriffe ganz zu schweigen.

Ja, schweigen und weiter Beweise vernichten, wo immer sie ungewünschterweise ans Licht geraten.

Das sind die – nun nicht mehr ganz so geheimen – Insignien der Macht.


Zum Weiterlesen:

Gutachten zu Bischof Janssen kann Missbrauchsvorwürfe nicht klären …
www.katholisch.de

Heinrich Maria Janssen war von 1957 bis 1982 Bischof von Hildesheim. Er ist der erste deutsche Bischof, der persönlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt wird. 

Die neue Untersuchung sollte das Agieren von Bischof Janssen genauer beleuchten – und auch die Frage beantworten, ob es um ihn ein Netzwerk von pädophilen Tätern gegeben habe, die sich Minderjährige zum Missbrauch zuschoben. Das verneinen die Gutachter, betonen aber zugleich, dass es eines solches Netzwerks gar nicht bedurft hätte. Einschlägige Geistliche hätten keinen besonderen Zugang zu Kindern gebraucht, sondern immer gehabt – ob in Zeltlager, Kita oder Pfarrhaus.

Auch die Studie für Hildesheim belegt darüber hinaus, dass sich die Kirche beim Verharmlosen und Vertuschen auf Behörden verlassen konnte. Bei den nicht-öffentlichen Strafverfahren habe mitunter ein Geistlicher als Ohr des Bischofs mithören können. Staatliche Stellen hätten außerdem deutliche Nachsicht gegenüber priesterlichen Tätern gezeigt. Ähnlich sieht es der Historiker Thomas Großbölting, der im vorigen Jahr Studienergebnisse für das Bistum Münster vorstellte: Gerade in den 1950er und 60er Jahren habe die Kirche „einen hoheitlichen Schutz“ genossen. Staatsanwälte hätten mit Bischöfen oder Generalvikaren telefoniert und Arrangements getroffen. 

Großbölting spricht von „Elitenverschmelzung“.


Heiliger Atem
www.spiegel.de › Politik

Auf diesen historisch wichtigen Artikel werden wir noch an anderer Stelle eingehen.


Missbrauchs-Doku: „Schweigen und Vertuschen
neuesruhrwort.de


DokThema: Schweigen und Vertuschen · Die Todsünden der …
ARD Mediathek


DokThema: Schweigen und Vertuschen · Die Todsünden der …
ARD Mediathek


Münsteraner Missbrauchsgutachten belastet alle Bischöfe …
(zu van Galen)


Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland (Wikipedia)


Kardinal Hollerich zu Missbrauch: Die ganze Kirche hat …
Katholisch.de


Juli 2023

Trilogie der Abgründe, Teil 2

Die Kinderfänger

Das historische Fundstück „Heiliger Atem“, ein SPIEGEL-Artikel über den 1965 geschlossenen Konkordatsvertrag mit dem Land Niedersachsen haben wir mit den Erkenntnissen aus Gutachten und Missbrauchsstudien von heute gegenübergestellt.

Es werden dabei folgende Tatsachen deutlich: 

1. Allen an diesem Vertrag beteiligten Bischöfen konnten Vertuschung und andere Verfehlungen im Bereich der sexuellen Übergriffe auf Kinder nachgewiesen werden.

2. Sie wussten bereits zum damaligen Zeitpunkt über Täter, Taten und diese Gefahr in ihren Reihen Bescheid, denn viele dieser Bischöfe hatten schon früher Täter geschützt und versetzt.

3. Sie kämpften dennoch mit allen Mitteln um die Ausweitung von katholischen Schulen und setzten dort auch einschlägig bekannte Täter ein. Die Mitverantwortung des Staates für die heute verletzten Menschen, die den Klerikern als Kinder auf diese Weise zugeführt wurden, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. 

Wir haben uns bei dieser Gegenüberstellung, aufgrund der Länge des Originalartikels, auf die wesentlichen Passagen, welche die unheilige Allianz zwischen Staat und Kirche aufzeigen, beschränkt. Die radikale Einflussnahme der Kirche auf die höchsten Ebenen der Politik, die Drohgebärden, die gespielte Opferrolle, der Druck auf katholische Eltern und Kinder – machen in der Summe deutlich, an welcher Stelle der Staat seine Kinder mehr verraten als geschützt hat.

Der vollständige Artikel ist im Internet abrufbar.


Heiliger Atem 

aus DER SPIEGEL 20/1965

1965… = Auszüge aus dem Originalartikel
Exkurs… = red. ergänzt durch Erkenntnisse über die beteiligten Bischöfe aus den Jahren 2020-2023


1965

Geräucherten Lachs nebst 45prozentigem Slibowitz und, nach einer Suppe, gekochte Seezungenröllchen garniert mit Hummerschwänzen nebst Mosel- und Rheinwein ließ der evangelische Apotheker und derzeitige niedersächsische Ministerpräsident Dr. Georg Diederichs im Runden Saal der Stadthalle zu Hannover auftischen.

Die Spitzen des Staates und der katholischen Kirche in Niedersachsen waren am 26. Februar zusammen mit Abgesandten des Heiligen Stuhls versammelt, insgesamt 40 Herren. 

Anlass der gemeinsamen Mahlzeit war eine unkündbare »feierliche Übereinkunft«die am selben Tage SPD-Diederichs und im Auftrage des Heiligen Vaters – dessen Nuntius in Bad Godesberg, Corrado Bafile, unterschrieben hatten: das Konkordat zwischen dem Land Niedersachsen (18,8 Prozent Katholiken) und dem Heiligen Stuhl.

Zur Rechten wie zur Linken war jedem geistlichen Herrn je ein weltlicher Niedersachse beigeordnet, soweit es sich angesichts des kirchlichen Übergewichts (22:18) einrichten ließ. Zwei Reden waren angesetzt, drei wurden gehalten. Das zweite Fischgericht – man speiste an einem Freitag – blieb länger in den Töpfen, als es die Chefs der Küche und des Protokolls geplant hatten.

Der Hannoveraner Diederichs, der Bad Godesberger Bafile (Titular-Erzbischof der seit Jahrhunderten menschenleeren vorderasiatischen Diözese Antiochia) und der Hildesheimer Heinrich Maria Janssen (Bischof einer mit 696 000 Katholiken und 5,6 Millionen Nichtkatholiken besiedelten Diaspora-Diözese) verwiesen die reputierliche Runde auf die Bedeutung der Stunde.


Exkurs 2021

(Hildesheim 2021: Der frühere Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen ist der erste deutsche Oberhirte, dem auch selbst sexueller Missbrauch von Minderjährigen angelastet wird. Nun stellten Fachleute eine Studie zu seiner Amtszeit vor. Hier ist von „eklatanten Missständen“ im Umgang mit Missbrauch die Rede. Nach Veröffentlichung eines Missbrauchsgutachtens für das katholische Bistum Hildesheim bleibt weiterhin offen, ob sich der frühere Bischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988) selbst an Kindern vergangen hat. Es könne nicht festgestellt werden, „ob Bischof Janssen sexuellen Missbrauch oder sexuelle Grenzüberschreitungen gegenüber Minderjährigen begangen hat“, heißt es in dem am Dienstag in Hildesheim vorgelegten Bericht. Die Gutachter um die ehemalige niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz stellten allerdings „eklatante Missstände“ im Umgang mit Missbrauch während Janssens Amtszeit zwischen 1957 und 1982 fest.

Demnach gab es von kirchlicher Seite Zuwendung und Schutz für die Täter, während die Betroffenen keinerlei Hilfen erhielten und mit ihrem Leid alleingelassen wurden. Die Untersuchung spricht von „massivem Unrecht“ gegenüber Kindern. Insbesondere in katholischen Kinderheimen wie dem Bernwardshof in Hildesheim habe es physische, psychische und sexualisierte Gewalt gegeben.)

Quelle:

Gutachter: Bischof Janssen schützte Missbrauchstäter und …
Katholisch.de, 14.09.2021


1965:

Über die jüngere Vergangenheit gingen die Redner diskret hinweg. Diederichs nannte sie beiläufig eine »Periode von Verwicklungen und Schwierigkeiten«.

In der Tat: 1954 noch war in Niedersachsen »das den katholischen Eltern von Natur gegebene Recht, ihre Kinder katholisch zu erziehen, verletzt und mit Füßen getreten« worden – so seinerzeit Papst Pius XII.


Exkurs Juli 2022

Papst Pius XII.: Neue Vatikan-Akten zeigen Versagen der …

FOCUS online

03.07.2022 — Pius vertuschte sexuellen Missbrauch in der Kirche. Doch David Kertzer fand jetzt einen Beleg dafür, dass diese Vorwürfe keineswegs erfunden, […]


1965:

Damals führte der Amtsvorgänger des Festredners Janssen aus Hildesheim, Godehard Machens, seine Gläubigen nach eigenem Zeugnis in einem »Kulturkampf, der den Katholiken aufgezwungen wurde«.

Es war der bis heute in der bundesdeutschen Geschichte härteste Kampf um die gesetzliche Regelung des brisantesten deutschen Schulproblems: ob katholische und evangelische Kinder, die sonntags (wenn überhaupt) getrennt beten, wochentags getrennt lernen sollen – in Schulen ihrer Konfession.

Doch elf Jahre später lobten die beiden geistlichen Exzellenzen an der hannoverschen Stadthallen-Tafel den Willen zum Vertrauen, der sich nunmehr im Konkordat niedergeschlagen habe. Mit so wenig Pathos mochte sich Diederichs nicht begnügen. Vertrauen war ihm zu wenig, »Freundschaft« war sein Wort.

»Nur einen engen Kreis von Beteiligten« habe bislang ein neuer Geist der Freundschaft zwischen Staat und katholischer Kirche erfüllt, vermerkte der Ministerpräsident. Jeder im Runden Saal wußte, dass dieser Kreis bis zu diesem Tage kaum größer war als die Tafelrunde. Doch nun müsse, so sprach Diederichs, der neue Geist der Freundschaft »um sich greifen« im ganzen Land

Und im ganzen Land griff es um sich – aber es war nicht der Geist einer Freundschaft, wie Diederichs sie versteht: Eine unheilige, wenn auch christliche Allianz machte Front gegen die Schulartikel des Konkordats und neue Paragraphen des Schulgesetzes.

Ein Kampf um die Schule, wie er leidenschaftlicher bislang in keinem anderen Bundesland und in Niedersachsen nur 1954 geführt wurde, ist im Lande zwischen Nordsee und Harz entbrannt. Die Regierungskoalition zwischen SPD und FDP ist darüber in der vergangenen Woche zerbrochen.

Gegen das Konkordat sind aufgestanden die Lutheraner in Ostfrieslands Pfarrhäusern („Bedrohung der freiheitlichen Entwicklung des Landes“) wie die Professoren der Pädagogisch Hochschulen in Braunschweig („Keine weitere Konfessionalisierung des Schulwesens“) und Osnabrück, die Christen der Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland (Landessuperintendent Nordholt: »Keine Apartheid in der Schule“) wie sämtliche evangelischen Theologen der Pädagogischen Hochschulen Niedersachsens („Unzuträgliche Behinderung einer künftigen Entwicklung“), der Sozialdemokratische Hochschulbund wie der SPD-Kreisvorstand Braunschweig – vor allem aber die Lehrer und die Liberalen.

Zum Kampf »mit allen Mitteln« rief Helmut Lohmann, Chef des 19 069köpfigen Gesamtverbandes Niedersächsischer Lehrer, in Göttingen seine Kollegen auf. 385 von 385 Delegierten stimmten ihm per Resolution zu.

Noch ist das Konkordat nicht vom Niedersächsischen Landtag gebilligt worden. SPD-Diederichs hat das Parlament undemokratisch in eine Zwangslage manövriert:

Das Parlament soll die ohne sein Zutun entstandenen Kontrakte, das bereits feierlich unterzeichnete Konkordat und die ebenfalls schon mit römischem Plazet versehene Schulnovelle, ohne jedwede Korrektur billigen.

Keines der vier Parlamente, die in der Weimarer Republik Verträge mit dem Vatikan genehmigten (Bayern 1924, Preußen 1929, Anhalt 1932, Baden 1932), ist von der jeweiligen Regierung des Landes so mißachtet worden wie der hannoversche Landtag von der Regierung Diederichs.

In Preußen beispielsweise hatten die regierenden Sozialdemokraten den Landtag während der Verhandlungen über ein Konkordat ständig unterrichtet, für die erste bis dritte Lesung im Parlament brauchte man dann nur acht Tage. Und in Anhalt ließ die Regierung einen Vertrag mit dem Vatikan über die Finanzierung katholischer Privatschulen vom Parlament genehmigen, dann erst wurde er unterzeichnet.

In Hannover des Jahres 1965 aber verjagten Diederichs und Genossen FDP -Mühlenfeld von der Regierungsbank, weil er im Landtag erklärt hatte, daß die Kritik am Konkordat »Berücksichtigung verlangt« und in den Ausschüssen »mit Ernst erörtert werden« müsse.

Wird das Konkordat nebst Schulnovelle vom Landtag genehmigt, so wird es in der Geschichte der Kirche und der SPD ohne Beispiel sein.

Zum ersten Mal in der hundertjährigen Geschichte der SPD hat sich ein Ministerpräsident aus ihren Reihen mit der katholischen Kirche über das »Kernproblem« (Diederichs) geeinigt, das Partei und Priester trennt: über die katholische Konfessionsschule.

Und zum ersten Mal in der mehrhundertjährigen Geschichte der Konkordate sicherte ein Demokrat, der ein überwiegend evangelisch besiedeltes Land regiert, dem Vatikan »die Beibehaltung und Neueinrichtung von katholischen Bekenntnisschulen« zu.

Im hannoverschen Landtag will man diese Wahrheit nicht wahrhaben. CDU -Fraktionschef und Jurist Langeheine verwarf die Auffassung, »daß man mit der katholischen Kirche ein Konkordat abschließen könnte, ohne die Schulfragen abschließend zu regeln«. Der Gedanke an ein Konkordat ohne Schulartikel sei »einfach absurd«, pflichtete ihm Richard Voigt bei, der Konkordats-Experte der SPD.

Doch wie Diederichs 1965, waren zu Konkordaten mit Garantien für staatliche katholische Schulen in Europa bislang nur ein einziger Demokrat (1924 Heinrich Held, Ministerpräsident des damals mit 70 Prozent Katholiken besiedelten Bayern) und vier Diktatoren bereit: 1929 Italiens Benito Mussolini, 1933 Deutschlands Adolf Hitler (der sich nicht daran hielt), 1940 Portugals António de Oliveira Salazar und 1953 Spaniens Francisco Franco Bahamonde.

Diese Schulart, die fortan in Niedersachsen noch stärker als bisher gefördert werden soll, gibt es in weitaus den meisten Ländern Europas nicht.

Ein einziges Bundesland hat nur Konfessionsschulen, das Saarland. Aber die Saarländer haben jüngst ihre Verfassung geändert: Gemeinschaftsschulen sind künftig erlaubt. Restliche Regionen, in denen es ausschließlich Konfessionsschulen gibt: Niederbayern und der niedersächsische Bezirk Oldenburg…

Durch Eingriffe in das Schulrecht entstehe eine »Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens«, rügte der renommierte Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen – dem auch katholische Schulfachleute angehören – im November 1962, als er ein Gutachten über die religiöse Erziehung veröffentlichte.

Überall sollte bedacht werden, so befand der Ausschuss, dass »es gerade auf diesem Gebiet der Schule die Ruhe zu geben gilt, in der sich die Anstrengung der Erzieher auf die eigentliche pädagogische Arbeit konzentrieren kann«. Deshalb sollten die »verschiedenen gesetzlichen Regelungen« in den Bundesländern um des Schulfriedens willen nicht »zum Gegenstand neuer politischer Kämpfe gemacht« werden.

Die katholische Kirche dachte darüber anders. Auf dem Katholikentag in Stuttgart 1964 forderte Deutschlands Schul -Bischof Johannes Pohlschneider (Aachen) öffentlich, was hinter verschlossenen Türen auch Nuntius Bafile verlangte: »Entscheidende Taten« dort, wo in den Schulgesetzen die katholischen Forderungen noch nicht erfüllt seien. Auf Niedersachsen verwies der Aachener Bischof nachdrücklich.


Exkurs November 2020

Ein neues Gutachten zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene im Bereich des Bistums Aachen wirft früheren Bischöfen und Generalvikaren einen unangemessenen Umgang mit Missbrauchsfällen vor. In dem am Donnerstag vorgestellten Gutachten erhebt die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) schwere Vorwürfe gegen die früheren Aachener Bischöfe Johannes Pohlschneider, Klaus Hemmerle und Heinrich Mussinghoff…

Beförderung für verurteilte Straftäter

In einem weiteren Beispiel schildern die Gutachter aus den Akten den Fall eines Kaplans, der bereits Anfang der 50er-Jahre wegen Missbrauchs von 14 Jungen verurteilt wurde. Der Kaplan selbst soll zuvor seinen damaligen Bischof, es handelt sich um Johannes Pohlschneider, nach einem Übergriff darum gebeten haben, nicht wieder in der Jugendseelsorge eingesetzt zu werden. Doch dieser Bitte wurde nicht entsprochen, es kam zu den Übergriffen und zur Verurteilung.

Quelle:

Schwere Vorwürfe gegen frühere Amtsträger im Bistum Aachen…
SZ.de


1965

»Angesichts der Härte des Kampfes« um die katholische Konfessionsschule gab der militante Mitra-Träger Pohlschneider die Losung aus: »Binden wir … unseren Helm fester, und schließen wir uns eng zusammen!« Gegenlosung der Lehrer in Niedersachsen, verkündet sieben Monate später in der Karwoche 1965: »Rettet die niedersächsische Gemeinschaftsschule!«

Die konfessionelle Trennung in der Schule beschäftigte Dorfbewohner wie die 1800 Seelen in der Gemeinde Beuel-Küdinghoven unweit der Bundeshauptstadt Bonn, wo im gemeinsamen Schulgebäude neben katholischen und evangelischen Klassen auch katholische und evangelische Toiletten eingerichtet wurden, ebenso wie höchste deutsche Gerichte.

 »Die weitaus größte Zahl aller Eltern – etwa 80 Prozent – wünscht für ihre Kinder eine konfessionelle Schule«, weiß der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings.


Exkurs November 2020 

Im Februar 1960 wird A. im Erzbistum Köln zum Priester geweiht. Damals heißt der Erzbischof Josef Frings und ist bei den Kölnern derart beliebt, dass sein Name in der Domstadt noch heute mythisch verklärt wird. Nach der Weihe erhält A. seine erste Stelle als Kaplan in Köln-Weidenpesch. Aber dann werden Gerüchte laut, wie es in einem unveröffentlichten Sondergutachten der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl vom 1. August 2019 heißt. Die Kanzlei arbeitet zu dieser Zeit bereits im Auftrag des Erzbistums den Kölner Missbrauchsskandal auf, jenes ambitionierte Projekt, das später der Kardinal Rainer Maria Woelki unter Verschluss halten wird. Damals gibt Köln auch federführend das Sondergutachten zu A. in Auftrag. Die Bistümer Essen und Münster sind ebenfalls beteiligt, sie liefern Akten zu.
In Weidenpesch soll A. vier Jungen im Alter zwischen 13 und 14 Jahren aufgefordert haben, sich in seinem Beisein zu entkleiden. A. räumt die Taten angeblich ein. Ein zweites Gutachten des Bistums Essen durch die Anwaltskanzlei Axis, das diese Woche erscheint, bestätigt jetzt: »Ab Ende 1963 gibt es mehrfach Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn.«
Kurz nachdem die Vorwürfe laut werden, wird A. versetzt, in eine Gemeinde im Kölner Stadtteil Porz. Ein Muster entsteht: Immer wenn die Taten A.s zum Problem für die Bistumsverantwortlichen werden, muss A. den Dienstort oder das Bistum wechseln. Aus den Augen, aus dem Sinn.
In Porz bleibt der Kaplan einige Jahre. Dann bekommt er 1970 seine erste Pfarrei, in Essen-Kettwig, sie gehört noch zum Erzbistum Köln. Das Sondergutachten der Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl hält fest: »Den vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass den zurückliegenden Vorgängen in diesem Zusammenhang irgendeine Bedeutung beigemessen worden wäre.«

Quelle:

Christ & Welt
www.eckiger-tisch.de › uploads › 2020/1


1965

Die Quelle, aus der ihrerseits Kardinal Frings und zahlreiche andere geistliche Rechner Zahlen und Gewißheit schöpfen, gab Schul-Bischof Pohlschneider preis: »Wir (haben) ja tatsächlich jedes Jahr eine echte Meinungsbefragung, nämlich immer vor Ostern, wenn die Eltern ihre sechsjährigen Kinder zur Schule anmelden.«

Im Regierungsbezirk Aachen, dem Kernstück der Pohlschneider-Diözese, wäre dann eine volksdemokratisch hoch anmutende Zahl von Eltern für die Konfessionsschule: über 99 Prozent. Doch die Eltern haben dort, wo Pohlschneider regiert, faktisch keine Wahl. Im gesamten Bezirk (590 Schulen) gibt es nur zwei Gemeinschaftsschulen.

In solchen Gegenden ist das Elternrecht auf freie Wahl der Schulart (Bischof Pohlschneider: »Ein granitener Fels im unruhigen Meer der Welt“) eine Fiktion. Der »Report«-Reporter Dieter Thoma erläuterte es im Deutschen Fernselen: »Es gibt in Köln zwar 144 Konfessionsschulen, aber nur zehn Gemeinschaftsschulen.« In die nächste Geneinschaftsschule müßte Thoma-Sohn Olliver, 6, mit der Straßenbahn (einmal umsteigen) fahren.

Olivers Vater: »Habe ich eine Wahl? Eigentlich nicht. Denn natürlich werde ich die Schule wählen, die um die Ecke liegt. Damit aber gebe ich gleichzeitig eine Stimme ab für die Konfessionsschule. Das wollte ich eigentlich nicht.«

Wo immer katholische Eltern die Chance einer Wahl haben, treten Priester mit Kanzelreden und Hausbesuchen in Aktion. Durch den massiven Druck, den sie häufig ausüben, diskreditieren sie selbst das unablässig geforderte Recht der Eltern auf freie Entscheidung.

Zwar versichert der Aachener Professor Pöggeler: »Die katholische Kirche ist der Auffassung, laß die Forderung nach der Bekenntnisschule keineswegs die Freiheit der Gewissensentscheidung auszuschließen braucht.« Und Jesuit Erlinghagen gab sich 1965 noch liberaler: »Die Aufgabe der Kirche ist es lediglich, die Gewissen der Eltern zu schärfen. Sonst nichts. Wer sich dann für die Gemeinschaftsschule entscheidet, der soll es doch tun.«

Aber viele Priester wecken bei katholischen Eltern das Gefühl, sie würden ihre Kinder in einer Gemeinschaftsschule dem Antichrist opfern. Der Münsteraner geistliche Studienrat Bernhard Bendfeld zitierte den Gottseibeiuns herbei, als er mit einem Flugblatt die Katholiken im westfälischen Flekken Tungerloh-Hochmoor über ihre Pflichten belehrte.

Die Gläubigen hatten sich trotz Einrede des Priesters der dortigen St.-Anna-Gemeinde mit Mehrheit dafür entschieden, ihre zweiklassige Konfessionsschule zugunsten einer größeren Gemeinschaftsschule aufzugeben. Bendfeld: »Der Teufel muss in St. Anna seine erste Schlacht verlieren!« Und die Gemeinschafts-Petenten warnte der Priester: »Oft lässt Gott einen dieser Glaubensleugner kurz danach sterben.«

Wilhelm Werheit, Pfarrer der »Herz Jesu«-Gemeinde in Gladbeck, unterrichtete per Rundschreiben seine Gläubigen: Wer sein Kind für eine Gemeinschaftsschule anmelde, verleugne seinen Glauben »in einem Ausmaß, das fast dem Austritt aus der Kirche nahekommt«, und habe »seelische Knochenerweichung und religiöse Charakterlosigkeit«.

Öffentlich wurden solche eifernden Priester von ihren Oberhirten nie gerügt. Die katholischen Bischöfe selber waren – und sind – mit ihren abfälligen Urteilen über die Gemeinschaftsschule nur einige Grade zurückhaltender.

Der Münsteraner Bischof Höffner, einst Professor an der Universität seines heutigen Bischofssitzes, definierte die Gemeinschaftsschule als »weltanschaulich gleichgeschaltete Zwangseinheitsvolksschule«.


Exkurs Juni 2022

Neben Einzel- gab es Serientäter wie etwa den 1964 zum Priester geweihten, bereits 1968 auf Bewährung verurteilten pädophil veranlagten Heinz Pottbäcker. Er wurde dennoch weiterhin in der Seelsorge eingesetzt, wo er sich abermals an Buben verging. Ihm wurden laut dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Bernhard Frings «immer wieder Kinder zugeführt». Damals war Joseph Höffner Bischof von Münster, der spätere Kölner Kardinal und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Quelle: 

Missbrauch in der Kirche: Bistum Münster legt neue Studie …
Neue Zürcher Zeitung


1965

Osnabrücks Bischof Wittler sah »an der Schulgesetzgebung Kubas«, wohin es führen könne, wenn man »der Schule ihren Bekenntnischarakter« nehme.


Exkurs September 2022

Minderjährige in Gefahr gebracht

Dadurch habe das Bistum weitere Minderjährige in Gefahr sexualisierter Gewalttaten gebracht, sagte der Rechtswissenschaftler Hans Schulte-Nölke bei der Vorstellung eines Zwischenberichts zu sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück. 

Schulte-Nölke ergänzte: „Die Bischöfe trifft bei der Entscheidung über den weiteren Einsatz Beschuldigter eine individuelle Verantwortung.“ Vor allem unter den Bischöfen Helmut Hermann Wittler (1957-1987) und Ludwig Averkamp (1987-1994) habe es etliche Pflichtverletzungen gegeben. 

Quelle: 

Studie wirft Bistum Osnabrück schwere Pflichtverletzungen …
Tagesschau.de


1965

Wie scharf immer ein Priester oder ein Bischof die nichtkatholische Schule verurteilt – er kann sich auf amtliche Erklärungen mehrerer Heiliger Väter berufen.

»Wenn die Schule kein Gotteshaus ist, so ist es eine Höhle«, zitierte Papst Pius XI. in einer Enzyklika über die christliche Erziehung 1929 zustimmend einen italienischen Pädagogen. Dieses fast 35 Jahre alte päpstliche Rundschreiben gilt auch heute noch als »Grundwerk der katholischen Pädagogik«.

In der Enzyklika rief der elfte Pius ein Wort des dreizehnten Leo aus dem Jahre 1897 in die Erinnerung zurück: »Vom Wohlgeruch religiösen christlichen Sinnes« müsse der gesamte Schulunterricht erfüllt sein. Und weiter zitierte der eine Papst den anderen Papst: »Wenn das fehlt, wenn dieser heilige Atem das Innere der Lehrer und Schüler nicht durchzieht und erwärmt, dann wird man aus der ganzen Schulung recht wenig Nutzen ziehen.«

Und Pius XI. selbst verkündete in seiner Enzyklika einen Leitsatz, den noch keiner seiner bislang drei Nachfolger modifiziert hat: »Die nötige Eignung« jeder Schule für katholische Kinder sei, »daß der ganze Unterricht und Aufbau der Schule: Lehrer, Schulordnung und Schulbücher, in allen Fächern unter Leitung und mütterlicher Aufsicht der Kirche von christlichem Geist beherrscht wird«. (Offizieller Kommentar: »Mit dem Worte ‚christlicher Geist‘ meint die Enzyklika eindeutig die Glaubenswelt der katholischen Kirche.“)

Die Religion müsse – so postulierte Pius XI. weiter – »Grundlage und Krönung des ganzen Erziehungswerkes in allen seinen Abstufungen (darstellen), nicht bloß in den Elementar-, sondern auch in den Mittel- und Hochschulen«.

Und: »Wir erneuern und bekräftigen … die Vorschriften der heiligen Canones, wonach der Besuch der nichtkatholischen Schulen … die ganz gleichförmig, und ohne irgendwelche Sonderung den Katholiken und Nichtkatholiken offenstehen, den katholischen Kindern verboten ist.« Ausnahmen dürften allenfalls die Bischöfe »mit Rücksicht auf bestimmte örtliche und zeitliche Verhältnisse unter besonderen Sicherungen« zulassen.

Das Pius-Ideal der katholischen Schule ist in der Bundesrepublik nur in geringem Maße verwirklicht worden. Stillschweigend haben die deutschen Bischöfe von vornherein Abstriche am päpstlichen Programm vorgenommen.

Nicht für das Schulsystem »in allen seinen Abstufungen« (Pius XI.), sondern lediglich für die Grundschüler und die zehn- bis fünfzehnjährigen Volksschüler wird die katholische Erziehung gefordert.

Katholische Mittel- und Oberschulen werden nur dort gepflegt, wo sie eine jahrzehntelange Tradition haben – wie in einigen Landstrichen Bayerns. 


Exkurs März 2013:

Ettal – Drei Jahre nach Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs im Kloster Ettal liegt eine Studie zur Aufarbeitung des Skandals vor. Am Donnerstag wurden die Ergebnisse vorgestellt.

Die rund 150 Seiten haben es in sich. Körperliche Misshandlungen, sexuelle Übergriffe, Gewalt und Demütigungen. Das vermeintliche Elitekloster Ettal im Kreis Garmisch-Partenkirchen war für viele Kinder und Jugendliche jahrzehntelang ein Ort der Angst und Hilflosigkeit. Daran lässt die Studie keinen Zweifel. 

Die wissenschaftliche Untersuchung sollte klären, wie es so weit kommen konnte. Warum die Taten nicht verhindert und warum so lange geschwiegen wurde. Einen Schlussstrich soll sie nicht ziehen, das betont Abt Barnabas Bögle immer wieder. Sie soll sensibilisieren, eine Kultur des genauen Hinschauens schaffen, sagt er. Ein Schritt sein, um ein dunkles Kapitel in der Vergangenheit des Klosters aufzuarbeiten. 

Doch sie reißt auch alte Wunden auf. Narben, die ein ganzes Leben lang nicht verheilt sind. 2010 wurde bekannt, dass zwischen 1960 und 1990 mindestens zehn Patres im Kloster etwa hundert Schüler misshandelt und missbraucht hatten. Einer von den Jugendlichen war Peter Schubert (Name geändert). Für ihn war die Studie, die die Abtei auf Drängen des Ettaler Opfervereins damals in Auftrag gegeben hatte, keine Hilfe. Sie konfrontierte ihn mit einer Vergangenheit, die er viele Jahre verdrängt hatte. 

Schubert war von einem Pater jahrelang sexuell missbraucht und misshandelt worden. Als die Vorwürfe gegen die Mönche vor drei Jahren an die Öffentlichkeit kamen, wurde er depressiv, hatte Selbstmordgedanken. Der Kampf mit der Vergangenheit begann für ihn von vorne. 

Vor einigen Monaten konnte ihn seine Ehefrau überreden, sich therapeutische Hilfe zu holen. Der Münchner wendete sich an eine Notfalleinrichtung. Er sollte in einem Drei-Bett-Zimmer untergebracht werden. Es war ein Zimmer, das seinem ehemaligen Schlafraum im Kloster Ettal sehr ähnlich war. „Ich kann das nicht“, hatte er damals zu seiner Frau gesagt. Einen Tag später nahm er sich das Leben. Ein tragisches Beispiel dafür, welche Folgen die Übergriffe im Kloster auf das Leben der Schüler hatten. 

Quelle:

Ettal: Ex-Schüler nahm sich kürzlich das Leben
www.merkur.de

Missbrauch in Ettal: Patres schlugen und küssten aus …
Die Welt

07.03.2013 — Im Kloster Ettal hatte der sexuelle Missbrauch von Internatsschülern System. Aus dem Martyrium gab es kein Entrinnen.


1965

Neue katholische Mittelschulen und Gymnasien hat der deutsche Episkopat niemals gefordert.

Deutschlands Priester stehen deshalb vor einer zwiespältigen Aufgabe. Einerseits sollen sie verhindern, daß katholische Kinder eine für alle Christenkinder gemeinsame Grund- und Volksschule besuchen. Andererseits sind sie nach bischöflichen Weisungen gehalten, möglichst allen Eltern begabter Zehnjähriger die ebenfalls für katholische wie nichtkatholische Kinder gleichermaßen bestimmte Mittel- oder Oberschule zu empfehlen.

[…]

An allen öffentlichen Konfessionsschulen muß nach denselben ministeriellen Lehrplänen unterrichtet werden wie an den Gemeinschaftsschulen. Katholisch dürfen mir die Lehrbücher sein, und katholisch sind meist nur die Lesebücher für den Deutschunterricht.

So erfahren niedersächsische Jung -Katholiken in den katholischen »Sieben Ähren« von der »Wallfahrt eines Rennfahrers«, der zur »Gnadenmutter von Mariabronn« betet. Sie lernen ein Gebet zum heiligen Georg und ein Gedicht über die Schlitzmantelmadonna«.

In katholischen Lesebüchern stehen Stücke über Fastenzeit und Aschenkreuz, Fronleichnam und Allerseelentag, und handelnde Figuren sind neben Schillers Glockengießern und dem Herrn von Ribbeck auf Ribbeck Heilige, Bischöfe, Priester und Ministranten. Daß es auch Andersgläubige gibt, wird lieber verschwiegen – beispielsweise in drei von vier Bänden des bayrischen katholischen Lesebuchs »Junge Welt«.

Und wie die katholische Lektüre im Deutschunterricht, wird auch das katholische Brauchtum gepflegt, damit sich der Geist der Schule »in tausend Kleinigkeiten des Alltags verrät« (Erzbischof Bengsch, Berlin). Betont katholische Andachten des Lehrers vor und nach dem Unterricht, wie sie in den Gemeinschaftsschulen nicht gehalten werden könnten, Marienfeiern im Mai, Madonnenbilder und »Herrgottswinkel« sind ebenso erwünscht wie der gemeinsame Gang zur Messe und zur Beichte. Der Lehrer soll die Kinder im Spiel den »Rhythmus des Kirchenjahres erleben lassen« (Dozentin Luzia Glanz) und den Priestern »vielfältige Möglichkeiten der Teilnahme am Klassenleben bieten« (Domkapitular Hubert Fischer).


Exkurs Mai 2021

Das Canisius-Kolleg Berlin wurde 1923 als katholisches Gymnasium vom Jesuitenorden gegründet und ist heute ein privates, staatlich anerkanntes katholisches Gymnasium in Berlin. 1940 wurde es von den Nazis geschlossen und am 1. Juni 1945 als Jungenschule wieder eröffnet. Es ist eines von heute noch drei Jesuiten-Kollegien in Deutschland, ein weiteres gibt es im Schwarzwald und ein drittes in Bonn.

Alle drei waren ehemals reine Jungenschulen und sind heute Gymnasien für Mädchen und Jungen. Im Schwarzwald mit einem angegliederten Internat; alle drei Kollegs sind in den Skandal um sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche verwickelt, ebenso die ehemalige Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg.

Im Jahr 2010 wandte sich Matthias Katsch als ehemaliger Internatsschüler und Betroffener an den damaligen Rektor Klaus Mertes. Er wollte mit den Ehemaligen seiner Schule wegen der Missbrauchsverbrechen in Kontakt kommen. Mertes verfasste einen Brief an mehr als 600 ehemalige Absolventen, mit der Bitte, sich im Falle persönlicher Betroffenheit an ihn zu wenden.

Hunderte Schüler aller drei Kollegien und vieler weiterer katholischer Bildungseinrichtungen meldeten sich zurück. Damit kam das ins Rollen, was heute als „Missbrauchsskandal“ innerhalb der katholischen Kirche bekannt ist – wenngleich weder Matthias Katsch noch Klaus Mertes die Ersten waren, die öffentlich darüber sprachen.

Im Februar 2010 hatten sich bei der Anwältin Ursula Raue als „Beauftragte für sexuellen Missbrauchs“ des Jesuitenordens bereits innerhalb weniger Tage 115 Betroffene gemeldet. Zudem tat sie in der Frankfurter Allgemein Zeitung (FAZ) ihr Erstaunen über den internen Umgang mit diesen Vorfällen kund: In den Akten des Ordens werde zwar „Fürsorge für Mitbrüder“ erkennbar, aber keine „Befassung mit der Seelenlage der anvertrauten Kinder und Jugendlichen“.

Im Mai 2010 berichtete die Anwältin schon von 205 ihr gemeldeten Fällen, die meisten davon hätten sich in den 1970er und 80er Jahren ereignet. In ihrem Abschlussbericht attestierte sie dem Orden der Tageszeitung Welt zufolge:

Die Jesuiten haben über Jahrzehnte systematisch sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder an den Schulen des Ordens vertuscht. Die Täter wurden in mehreren Fällen von ihren Oberen gedeckt und an andere Orte versetzt, wie Ursula Raue, die Missbrauchs-Beauftragte der Jesuiten, bei ihrem Abschlussbericht zu dem Skandal sagte. „Man hat dafür gesorgt, dass die verschoben wurden.“

Von 1961 bis 1979 war Alfred Kardinal Bengsch Erzbischof von Berlin, von 1980 bis 1988 Joachim Kardinal Meisner, von 2011 bis 2014 Rainer Maria Kardinal Woelki. Meisner war anschließend und Woelki ist heute Erzbischof von Köln. 

Quelle:

„Die katholische Kirche muss sich selbst in Frage stellen“…
www.telepolis.de


1965

Doch die Schul-Wirklichkeit entspricht dem kirchlichen Anspruch oft nicht. Weder prokatholische Paragraphen noch katholischer Lesestoff sichern einen katholischen Geist in den Konfessionsschulen, und die Pflege des katholischen Brauchtums lässt sich nur in Grenzen reglementieren. Katholischer Geist kann nur dort herrschen, wo Lehrer und Schüler ihn besitzen. »Sollte denn«, so fragt der Jesuit Erlinghagen, »die Glaubenssubstanz in der Lehrerschaft sehr viel größer ein als beim Durchschnitt der Getauften?«

In der Bundesrepublik sind nach dem Urteil des katholischen Pastoralsoziologen Norbert Greinacher »nur noch zwanzig Prozent der katholischen Christen echte Gläubige«. 

Nur etwa in diesem Hundertsatz können die katholischen Konfessionsschulen von dem laut Plus XI. notwendigen »heiligen Atem« erfüllt sein, wenn wie im Saarland und in Bayern nahezu alle Lehrer und Kinder an Konfessionsschulen lehren und lernen müssen.

[…]

Die größere Quantität, die katholische Bischöfe weithin durchgesetzt haben, schlägt in – aus katholischem Blickwinkel – mindere religiöse Qualität um. Diese Folge einer Zwangs-Konfessionalisierung läßt sich kaum noch verbergen.

– In Nordrhein-Westfalen gehört fast ein Drittel der – weit überwiegend an Konfessionsschulen tätigen – katholischen Lehrer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an, obwohl laut Hirtenbrief die GEW »Gegnerin der Bekenntnisschule« ist und jeder Katholik »vor Gott zu erwägen« hat, ob er sie »in irgendeiner Weise unterstützen« dürfe.

– In Bayern ist sogar die Mehrheit der katholischen Pädagogen im dortigen Lehrer- und Lehrerinnenverein organisiert, der mit der GEW eine Bundes-Arbeitsgemeinschaft gebildet hat. Deren Schulpläne nannte Bischof Pohlschneider 1960 eine »revolutionäre Konspiration gegen die christliche Erziehung unserer Jugend«.

[…]

Doch der deutsche Staat sündigt nicht nur gegen diese künftigen Bürger. Er handelt nach Ansicht zahlreicher angesehener Rechtsgelehrter auch wider das Gesetz, nach dem er angetreten ist, wenn er an seinen Schulen katholische Kinder katholisch und evangelische Kinder evangelisch erziehen lässt.

Die katholische Kirche beruft sich auf das Grundgesetz. Nach dieser Argumentation wird das Elternrecht, wie es die katholische Kirche versteht, im Grundgesetz »ausdrücklich zu den Grundrechten der Deutschen gezählt« – so steht es auch in dem reputierlichen »Lexikon für Theologie und Kirche«.

Als der Parlamentarische Rat 1949 das Grundgesetz verabschiedete, waren prominente Katholiken noch anderer Meinung. Damals versicherte Kardinal Frings, die neue Verfassung sei »mit einem schweren Makel« behaftet; alle Katholiken seien »aufs schwerste gekränkt«. 

Tatsächlich sind in das Grundgesetz, wie sein angesehenster Kommentator Mangoldt feststellt, »die katholischen Lehren über Elternrecht und Erziehungswesen nicht übernommen« worden. »Zur Bekenntnisfreiheit«, so der Hamburger Professor Krüger, »kann nicht das Recht gehören, vom Staate in dem gewählten Bekenntnis erzogen zu werden.« Vor allem aber seien Konfessionsschulen als einzige Schulen am Orte mit dem Wesen eines Staates, der nach dem Urteil seines höchsten Gerichts »weltanschaulich neutral« sei, nicht zu vereinbaren.

Diese Kritiker tadeln, daß Schulen überhaupt katholisch oder evangelisch sind. Die geistlichen Kritiker hingegen bedrückt, daß diese Schulen zu wenig katholisch oder evangelisch sind.

[…]

Überall dort aber, wo öffentliche Bekenntnis- und Gemeinschaftsschulen nebeneinander zugelassen sind, führt die katholische Kirche wie seit eh und je den Kampf darum, dass mangels einer Alternative der Zwang für katholische Eltern, ihre Kinder in katholische Schulen zu schicken, mit dem staatlichen Schul-Zwang identisch ist.

Der heute fragwürdig gewordene Schul-Bund zwischen Staat und Kirche wurde einst in einer Zeit gegründet, als noch Thron und Altar einander wechselseitig stützten. Die Konfessionsschulen wurden von den gekrönten Christen aber nicht »um der Verwirklichung eines genuin religiösen Anliegens willen« installiert, sondern um »die Untertanen bei Gehorsam zu erhalten.« (Professor Krüger).

Der Bund diskreditierte sich selbst, als fast überall in Deutschland Geistliche beider Konfessionen vom Staat mit der Schulaufsicht betraut wurden. Der Widerstand der meisten deutschen Lehrer gegen jedwede kirchliche Kontrolle ist auf die düsteren Erfahrungen ihrer Kollegen in jener Zeit zurückzuführen.

[…]

Eineinhalb Jahrzehnte lang bemühte sich vor allem ein katholischer Geistlicher von Rang, in Deutschland die Konfessionsschule durch Konkordate durchzusetzen: Eugenio Pacelli, damals Nuntius bei der Reichsregierung und später als Pius XII. Papst.

Doch Pacelli hatte weniger Erfolg und war deshalb viel stärker zu Kompromissen bereit als einige Jahrzehnte später der Nuntius Bafile bei den Konkordats -Verhandlungen mit den Niedersachsen. Seine Hoffnungen fixierte Pacelli in einem Entwurf, den die katholische Kirche gern ins Grab der Vergessenheit senken möchte. Denn zu sehr glich Pacellis Liste einer Fata Morgana: Die Kirche müsse »an der Prüfung der Lehramtskandidaten« mitwirken, »in den Schulverwaltungsorganen Sitz und Stimme haben und verlangen dürfen, daß Lehrer bei Abweichungen von der »kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre« versetzt werden.

So weit kam nicht einmal die Regierung des katholischen Bayern der Kirche entgegen. Aber immerhin schloss Bayern ein Konkordat mit Schul-Artikeln ab. Die Konfessionsschule wurde im Gegensatz zum Wortlaut der Weimarer Verfassung zur Regel, die Gemeinschaftsschule zur Ausnahme.

Als Pacelli mit Preußen über ein Konkordat verhandelte, legte er vergebens seine Forderungen vor. 1926 wurde ihm mitgeteilt, es könnten überhaupt keine Schul-Artikel in das Konkordat aufgenommen werden. Mit Mühe erreichte der Nuntius dann einen für die Kirche überaus bescheidenen Kompromiß.

Die Preußen wollten einen fast unverbindlichen Passus ins Konkordat nehmen: »Der Apostolische Stuhl nimmt davon Kenntnis, dass der preußische Staat durch die Reichsverfassung und nach deren Maßgabe verpflichtet ist, für die Einrichtung und Zulassung von Volksschulen katholischen Bekenntnisses und die Erteilung katholischen Religionsunterrichts zu sorgen.«

Dazu 1965 Niedersachsens Lehrer-Chef Lohmann: »Gegen einen analogen Passus im Niedersachsen-Konkordat hätten wir kaum Bedenken.«

[…]

Erst als bald darauf in Deutschland die Demokraten nicht mehr regierten, konnte Pacelli seine Schul-Forderungen durchsetzen, nun sogar mühelos: in dem Reichskonkordat, das sechs Monate nach Hitlers Machtantritt im Vatikan unterzeichnet wurde. Kardinal Faulhaber dankte Hitler in einem handgeschriebenen Brief: »Was die alten Parlamente und Parteien in 60 Jahren nicht fertigbrachten, hat ihr staatsmännischer Weitblick in sechs Monaten weltgeschichtlich verwirklicht.«

Kurzlebig aber war die Hoffnung der Kirche, Konfessionsschulen seien nun dank des unkündbaren Reichskonkordats für alle Zukunft gesichert. Zwar verhieß Artikel 23: »Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt gewährleistet.« Doch Hitler hielt sich nicht an den Vertrag, den er 1933 zur Aufbesserung seines Ansehens in der Welt gebraucht hatte, und hob die Konfessionsschulen zum größten Teil auf.


Exkurs Januar 2022

Kardinal Michael von Faulhaber (1917–1952)

Die lange Amtszeit von Kardinal Michael von Faulhaber, der von 1917 bis zu seinem Tod 1952 Erzbischof von München und Freising war, wird im Gutachten ab 1945, mit Beginn des Studienzeitraums, betrachtet. Im Zeitraum von 1945 bis 1952 sei es in vier Fällen zu fehlerhaftem Handeln gekommen; insgesamt wurden zu 15 Klerikern untersuchungsrelevante Sachverhalte gefunden.

Die problematisierten Fälle ähneln sich dabei: Priester fallen durch Übergriffe auf, werden mehrfach versetzt, gemaßregelt und doch wieder eingesetzt, während Opferfürsorge keine Rolle zu spielen scheint. Kirchenrechtliche Voruntersuchungen und Meldungen ans Heilige Offizium, die heutige Glaubenskongregation, unterblieben.

Ein Priester fiel durch unangemessene Berührungen von Mädchen auf. Mehrfach wird er versetzt, immer wieder wird er rückfällig. Seinen Opfern nähert er sich auch in der Beichte. Schließlich wird der Priester suspendiert. „Drei Monate nach diesem Vorfall bat der Priester reumütig bei Erzbischof Kardinal von Faulhaber um Verzeihung. Dieser hob die Suspendierung daraufhin auf“, heißt es im Gutachten. Faulhabers Generalvikar habe den Unterlagen zufolge das Verhalten des Priesters „als mindestens moralisch verwerflich bezeichnet“ – dennoch gibt es aber Indizien, dass der Priester ermutigt wurde, sich wegen des herrschenden Priestermangels „um eine kleine Pfarrei zu bemühen“.

Der Münchner Erzbischof und Kardinal Michael Faulhaber amtierte von 1917 bis 1952. Für den Papst schrieb er den Entwurf der Enzyklika „Mit brennender Sorge“, doch seine Rolle in der NS-Zeit ist nicht frei von Ambivalenzen. 

Auch staatliche Urteile schienen kaum Konsequenzen zu haben: In einem anderen Fall geht es um einen Priester, der Ende der 1940er Jahre wegen Sittlichkeitsverbrechen mit Kindern in sechs Fällen zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurde. Die Entscheidung, ihn wieder als Aushilfspfarrer einzusetzen, soll wenige Monate nach seiner Haftentlassung getroffen worden sein.

Das Urteil der Gutachter über Faulhaber fällt insgesamt ambivalent aus, zumal nur ein Teil seiner Amtszeit im Blick war. Der Kardinal habe zwar nicht rechtskonform gehandelt und sich durchweg nicht den Geschädigten zugewendet. Sein Vorgehen gegen Täter wird aber als „in einer vor allem ab den 1960er Jahren nicht mehr erreichten Art und Weise entschlossen“ gewürdigt. Zumindest rudimentär gab es Präventivmaßnahmen wie die Unterbringung von Tätern in Klöstern. Warum das nicht in allen Fällen so gehandhabt wurde, konnten die Gutachter nicht ermitteln.

Quelle:

Faulhaber, Wendel, Döpfner: Die Schuld der toten…
Katholisch.de


1965

Nach dem Ende des Hitler-Reiches kam es zunächst zu einer Renaissance dieser Schulart. Die katholischen Bischöfe forderten, das NS-Unrecht müsse wiedergutgemacht werden, und viele katholische Eltern entschieden für die erneute Einrichtung von Bekenntnisschulen.

[…]

Nur noch in den Stadtstaaten Hamburg, West-Berlin und Bremen wird die weltanschauliche Neutralität der Schulen eingehalten. Weder sind die Lehrer zu einer christlichen Erziehung verpflichtet noch wird auch nur ihre Konfession festgestellt.

In den Flächenstaaten hingegen wurden ausnahmslos alle Gemeinschaftsschulen zu christlichen Anstalten deklariert, obwohl ein geringer Teil der Lehrer und ein größerer Teil der Schüler sich nicht zu den Christen zählen.

In Lehrplänen und Lesebüchern wird überall das Christliche betont. Und gegen den Versuch eines glaubenslosen Frankfurter Ehepaares, per Gerichtsurteil ein Verbot von Schul-Gebeten zu erreichen (wie in den USA), setzt sich Hessens SPD-Kultusminister Schütte gegenwärtig zur Wehr. Er verteidigt die Texte, die von evangelischen und katholischen Theologen gemeinsam ausgesucht worden sind.

Das Kreuz in der Klasse, früher Merkmal der Konfessionsschule, hängt längst auch in vielen Gemeinschaftsschulen. Vor allem aber wird in allen bundesdeutschen Flächenstaaten nach alter preußischer Tradition ein konfessioneller Proporz kraft Gesetzes oder stillschweigend praktiziert: Die Lehrer werden auf die Gemeinschaftsschulen je nach der Konfession der Kinder verteilt.

Folge in Niedersachsen: Auch die zwei Drittel Jung-Katholiken, die Gemeinschaftsschulen besuchen, werden überwiegend von Katholiken unterrichtet.

[…]

Die katholische Kirche führte den Schul-Kampf so radikal, daß demgegenüber die 1965er Proteste der Lehrer und der Liberalen gemäßigt wirken. Und sie führte den Kampf auch auf der Straße und auf diplomatischem Parkett.

Höhepunkt war, zwischen der ersten und der zweiten Lesung des Schulgesetzes, eine Demonstration in Hannover, zu der 50 000 Katholiken…. in 14 Sonderzügen und 500 Bussen anreisten und der Pius XII. ein Grußtelegramm schickte. In einem Schweigemarsch zogen die Demonstranten zum Kultusministerium. Sie zeigten Transparente mit den Köpfen Kopfs und Hitlers und Aufschriften wie »1936 Hitlers Verderben 1954 seid Ihr die Erben?« oder »Kopf und Voigt, laßt’s euch sagen: Elternrecht sonst geht’s euch an den Kragen!«

In einem Brief an den Ministerpräsidenten Kopf verwies der Hildesheimer Bischof Machens auf den »erschütternden Aufschrei der Volksseele«. Ernst Kuntscher, katholisches MdB, zog einen zeitgeschichtlichen Vergleich: »Tschechen und Polen haben uns Heimat und Eigentum genommen. Aber was jetzt sich die Sozialdemokratie in Niedersachsen leistet, das übertrifft fast noch die Greuel der Austreibung.«

Gleichzeitig mit dem katholischen Volks-Sturm setzte die Kirche auch die Bundesregierung im niedersächsischen Schulkampf ein. Der damalige päpstliche Nuntius Aloysius Muench bat den damaligen Bundeskanzler und Außenminister Konrad Adenauer, »allen Einfluß auf die Landesregierung« in Niedersachsen zu nehmen. Begründung: Das geplante Schulgesetz widerspreche dem noch immer gültigen Reichskonkordat. Adenauer machte sich die Argumente des Vatikans zu eigen.

[…]

Die Kirche kämpfte zunächst weiter. 15 000 katholische Kinder wurden in einen Schulstreik geführt (Chronist Thomas Ellwein: »Es fragt sich, was sich die Kinder dabei gedacht haben“). Und Papst Pius XII. lobte in einem Brief an die deutschen Bischöfe »den lebendigen Eifer, mit dem Ihr … die Rechte Gottes und der Seelen verteidigt habt«.

Unterdes rüstete die mit dem Heiligen Stuhl verbündete Bundesregierung zu einem Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das feststellen sollte, das niedersächsische Schulgesetz stehe im Widerspruch zum Reichskonkordat.

Die Bundesregierung bot sieben gelehrte Gutachter auf. Der Freiburger Universitätprofessor Nikolaus Hilling befand in seinem für das höchste deutsche Gericht bestimmten Schriftsatz, das Schulgesetz passe »zu dem Reichskonkordat wie die Faust auf das Auge« und es liege »wohl auf der flachen Hand«, dass die Errichtung katholischer Schulen unzulässig erschwert werde.

[…]

Und es mehren sich die Anzeichen, daß die katholische Kirche wenigstens in konfessionell gemischten Gebieten bereit ist, nur noch auf der konfessionellen Erziehung in der Grundschule zu bestehen und die Oberstufe der Volksschule ähnlich wie Mittel- und Oberschulen freizugeben. Erste Andeutungen machten Limburgs Weihbischof Kampe (die katholische Erziehung sei »vor allem in den ersten Schuljahren« notwendig) und Münchens Kardinal Döpfner: »Vor allem für die Unterstufe der Volksschule« sei die katholische die »beste Form schulischer Erziehung der Kinder«.


Exkurs Januar 2022

Fall 28: Ein Priester ist in einer anderen Diözese in einem Internat tätig und missbraucht dort zwischen Mitte und Ende der 1960er einen Schüler, der zu Beginn in der 4. oder 5. Klasse ist. Es gibt offenbar keine wirklichen Konsequenzen, aber er wird zur Fortbildung nach München-Freising geschickt und hilft dort in der Seelsorge aus. Zwei Jahre später berichtet der Priester seiner ursprünglichen Diözese, er habe in einem Gespräch mit einem Weihbischof in München-Freising „die Hintergründe seines Fortgangs erläutert und ‚alles offen erzählt’“ (S. 510). Der Weihbischof habe Rücksprache mit Kardinal Döpfner und Generalvikar Dr. Gruber gehalten und ihm dann gesagt, man sei bereit, ihn für drei Jahre auf Probe zu übernehmen; die ursprüngliche Diözese stimmt dem zu. Er wird gleich für zwei Jahre als Religionslehrer eingesetzt, dann vor allem in der Krankenhausseelsorge, und wird Ende der 1980er (also dann schon unter Kardinal Wetter) endgültig in den Klerus des Erzbistums aufgenommen. Mitte der 2010er wird er von Bistumsmitarbeitern befragt und äußert u. a. folgendes:

„Es war meiner Ansicht nach ein heißes Eisen, dass mich Weihbischof [Anm.: der Weihbischof der Erzdiözese München und Freising] […] als Religionslehrer an einem Gymnasium eingesetzt hat. Ich habe mich damals gefragt, wie man mich in ein Gymnasium stecken kann, wenn ich als Pädophiler gelte. Der Religionslehrer, der vor mir am Gymnasium in […] tätig war, hat geheiratet. Man brauchte einen Nachfolger.“ (S. 511)

In den Münchner Akten war zunächst nicht klar, dass die dortigen Verantwortlichen Bescheid wussten. Anfang der 2010er gab es aber eine Meldung an den Missbrauchsbeauftragten in München-Freising wegen der Taten in der anderen Diözese, und man fragte dort an (allerdings erst drei Jahre später!), woraufhin die andere Diözese das Schreiben des Priesters übermittelte, aus dem hervorgeht, dass Kardinal Döpfner und Generalvikar Dr. Gruber Bescheid wussten.

Quelle:

Missbrauch in München-Freising: Fälle in den 60ern und 70ern
WordPress.com


Juli 2023

Trilogie der Abgründe, Teil 3

Schon immer und überall

Denn sie wissen, was sie tun…

Der genaue Vergleich von gestern und heute wirft immer wieder Fragen auf.
Fragen danach, was wir eigentlich wirklich glauben können, wem wir vertrauen wollen, wem wir blind folgen sollen? Welche Instanz sagt die Wahrheit in diesen Gefügen der Lügen?
Die Doppelbödigkeit der hier gesammelten katholischen  Glaubens-Bostschaften erscheint im Zusammenhang mit den Taten der Verkünder in einem anderen Licht. Sie entpuppen sich als Täuschungen, Manipulation von Gläubigen, als leere Worte, die ihren Taten widersprechen.

„Erst wenn wir in dunklen Räumen das Licht anmachen und genau hinsehen, werden wir der gesamten Unordnung gewahr, die sich in den Jahren der Untätigkeit und des Wegsehens angesammelt hat.
Und es ist die Zeit gekommen aufzuräumen. 
Innen wie außen.
Wir befreien den Raum vom falschen Glauben, von geheuchelten Botschaften, trennen das Unbrauchbare und Verrottete vom Wertvollen, verjagen Ungeziefer, die uns erschrecken und klebrige Spinnweben, die den Blick trüben, reinigen, klären und fangen nochmal ganz von vorne an. 
Im Glauben an uns, unser Leben, unsere Kraft und unsere unzerstörbare Würde. 
Mithilfe unseres Gewissen und unsere klugen inneren Stimmen. 
Der einzige Glauben, der wirklich trägt und nicht enttäuscht werden kann.
Wir wählen Farben und Worte, die uns gefallen und schaffen unserer Seele das Zuhause, das wir uns schon immer gewünscht haben. 
Und dann laden wir uns wahre Freunde ein, denen wir vertrauen und mit denen wir das Leben feiern können, sicher, dass uns niemand mehr belügt, verletzt und demütigt.
Nie mehr. Bis in alle Zeit.
Das ist dann das (jedem Menschen innewohnende) Paradies.

So sei es.“

(Ein neues Gebet für Betroffene)


Dokument 1 – Mai 2014

Der massenhafte Konsum von Pornografie durch Jugendliche wird hier im Jahr 2014 von einem Geweihten angeprangert, dessen geweihte Brüder die massenhafte Pornografie mit Kindern selbst herstellen und konsumieren. 
Darüber hat Herr Oster noch nie gepredig
t….

P. Dr. Stefan Oster SDB lässt aufhorchen

Pornografie: Wir dürfen nicht kapitulieren! 

Pater Dr. Stefan Oster SDB hat am 8. Mai 2014, gut zwei Wochen vor seiner Weihe zum 85. Bischof von Passau, im Prinz-Carl-Palais in München den Eid auf die Bayerische Verfassung abgelegt. In seiner mutigen Rede stellte er fest, dass der massenhafte Konsum von Pornografie bei Jugendlichen gar nicht mehr hinterfragt werde. Damit aber würden wir flächendeckend gegen unsere Verfassung verstoßen, die uns dazu verpflichte, die Jugend vor sittlicher Verwahrlosung zu schützen. 

Von P. Stefan Oster SDB, hier noch als designierter Bischof von Passau 

Die Jugend ist vor sittlicher, geistiger und körperlicher Verwahrlosung zu schützen 

Als ein Sohn Don Boscos habe ich ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, was in der Bayerischen Verfassung über Kinder und Jugendliche gesagt ist. Und ich bin froh, dass dort beispielsweise der Schutz der Familie und das natürliche Fürsorgerecht wie auch die Fürsorgepflicht der Eltern so stark gemacht werden. Oder ich bin auch sehr froh über die obersten Ziele von Bildung, die da genannt werden, etwa als erstes: die Ehrfurcht vor Gott, die Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen und neben anderem dann auch noch die Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne als Bildungsziel. … „Die Schulen“, heißt es im Artikel 131, „sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.“ Wie schön. Und ich habe auch den folgenden Satz, Artikel 126, Absatz 3 der Verfassung mit voller Zustimmung gelesen: „Kinder und Jugendliche sind durch staatliche und gemeindliche Maßnahmen und Einrichtungen gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und körperliche Verwahrlosung und gegen Misshandlung zu schützen.“ Diese Ziele für die Bildung und zum Schutz der Jugend könnten aus der Feder Don Boscos selbst stammen. … Der „Diener Gottes“ Carlo Acutis starb 2006 mit 15 Jahren.


Dokument 2 – Juni 2014

Über Jugendliche und ihre Abwege und über den Gehorsam in der katholischen Kirche referiert hier Ehrendomherr Edmund Dillinger, der mit seinen Handlungen selbst Abwege für Kinder und Jugendliche geschaffen und fernab des katholischen Gehorsams gelebt hat. 
Er prangert das Koma-Saufen der Jugendlichen an und es bleibt unerwähnt, wieviele Kinder von Priestern unter Alkoholeinfluss gesetzt und in diesem Zustand vergewaltigt wurden. Ebenso unerwähnt bleibt, wieviele Jugendliche den Alkohol brauchen, um die Bilder dieser Vergewaltigungen durch Personen, denen sie vertrauten, immer wieder zu verdrängen.

Ein Vorbild für unsere heutige Jugend 

Ehrendomherr Edmund Dillinger blickt mit großer Sorge auf die junge Generation. Kinder und Jugendliche verlieren zunehmend den Halt und kommen mit ihrem Leben nicht mehr zurecht. Dem stellt Pfarrer Dillinger das Beispiel von Carlo Acutis gegenüber, der im Jahr 2006 mit nur 15 Jahren an Leukämie gestorben ist. Obwohl sein Tod erst wenige Jahre zurückliegt, wurde ihm von Rom bereits der heroische Tugendgrad und damit der Titel „Diener Gottes“ zuerkannt. Dillinger möchte diesen außerordentlichen Jungen im deutschsprachigen Raum bekannt machen und ihn der heutigen Jugend als leuchtendes Vorbild vor Augen stellen. 

Von Edmund Dillinger 

Jugendliche verlieren den Sinn des Lebens 

Es ist nicht zu übersehen, dass die Kirchen immer leerer werden. Besonders fehlen in den Gottesdiensten unsere Jugendlichen. Die großen Zusammenkünfte bei Weltjugendtagen, Prayer-Festivals oder Treffen der Jugend 2000 sind zwar erfreulich, aber es sind Ausnahmen. Wir müssen erkennen, dass die junge Generation immer mehr den Kontakt zu den Glaubenswahrheiten verliert, die allein dem Leben einen Sinn vermitteln können. 

Wir hören täglich von den Abwegen unserer Jugendlichen: Gewalttaten, Koma-Saufen, Drogenkonsum, Überfälle, Raub und Brandstiftung. Immer mehr junge Menschen leiden unter Depressionen, machen ihrem Leben ein gewaltsames Ende. In meiner Heimat hat sich vor kurzem ein 23-Jähriger mit einer Kette an einen Baum gefesselt und angezündet. Vollkommen verkohlt wurde er gefunden. Er kam mit seinem Leben nicht mehr zurecht. 

Alarmierende Zahlen 

Gerade das sog. „Koma-Saufen“, von dem die Medien im Augenblick häufig berichten, ist außerordentlich gefährlich und weist auf den Mangel an Lebenssinn im Bewusstsein der betroffenen Jugendlichen hin. 

Nach offiziellen Angaben sind im Jahr 2012 bundesweit 26.673 Minderjährige mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dies sind täglich etwa 70 Kinder und Jugendliche. Die 15- bis 20-Jährigen bilden die größte Gruppe der alkoholbedingten Krankenhauspatienten. Diese Zahlen haben sich in den letzten zwölf Jahren mehr als verdreifacht. Laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung geben 14 Prozent der 12- bis 17-Jährigen an, regelmäßig Alkohol zu trinken. In Anbetracht dieser Tatsache müssen wir uns fragen: Was kann hier Abhilfe schaffen? 

Quelle:

Katholische Monatszeitschrift: Juni 2014
Kirche-heute.de
Ein Vorbild für unsere heutige Jugend. Ehrendomherr Edmund Dillinger blickt mit großer Sorge auf die junge Generation. Kinder und Jugendliche verlieren …

Edmund Dillinger über Sr. Fidelis, Vorbilder, Alkohol und…
YouTube, 1:31
Und liebe Jugendliche, jetzt nicht sagen, das war 19. Jahrhundert, wir haben heute eine andere Zeit. Nein, auch heute müssen wir leben.
YouTube · ExKommunikationsTrainer · 28.04.2023

Erst gab’s Wein, dann Nacktfotos: Wie Skandalpriester…
www.rhein-zeitung.de
21.04.2023 — Die hatte der damalige Hermeskeiler Pfarrer und Religionslehrer an einem örtlichen Gymnasium, Edmund Dillinger, 1970 für Messdiener und …


Dokument 3 – Januar 2005

Nochmal Edmund Dillinger zum Thema „Gehorsam in der katholischen Kirche“ Seite 16! Sehr lesenswert!

Der Fels
PDF, 01.01.2005
Seite 16: Ehrendomherr Pfr. Edmund Dillinger: Gehorsam in der katholischen Kirche
Seite 18: Prof Dr. Hans Schieser: Die Entdeckung des „real existierenden Christentums


Dokument 4 

Ein Papst, der wie alle Päpste im prunkvollsten aller Lebensumfelder residiert, preist in einem Geleitwort für das Machwerk eines anderen ehrenwerten Kollegen  diejenigen, die auf Müllhalden leben, hungernd und entwürdigt oder mit zerstörten Existenzen, welche seine Mitbrüder zu verantworten haben, zurechtkommen müssen. Manche Kinder erleben Armut UND sexuelle Gewalt, wenn die pädophilen und auffällig gewordenen Priester unbehandelt nach Afrika und Südamerika versetzt werden.

In ihren Ohren müssen diese Worte wie Hohn klingen….

Geleitwort von Papst Franziskus zum Buch von Kardinal Müller

Selig die Armen! 

Seit dem Beginn seines Pontifikats bringt Papst Franziskus immer wieder zum Ausdruck, dass er sich eine „arme Kirche für die Armen“ wünscht. Was aber heißt das? Einerseits setzt er deutliche Zeichen durch die Bescheidenheit in seinem persönlichen Lebensstil. Andererseits hält er beispielsweise an der Vatikan-Bank als einer hilfreichen Einrichtung für die Kirche fest. Nun hat Franziskus die Veröffentlichung eines Buches von Gerhard Ludwig Kardinal Müller, dem Präfekten der Glaubenskongregation, zum Anlass genommen, in einem Geleitwort genauer zu erklären, worum es ihm bei der von ihm eingeforderten Armut geht. Müller hatte sich von 1988 bis 2002 jeden Sommer mehrere Wochen in verschiedenen südamerikanischen Ländern seelsorgerisch engagiert und sich die „Option für die Armen“ der dortigen Befreiungstheologen zu eigen gemacht. Sein Buch trägt den Titel „Armut – Die Herausforderung für den Glauben“

Von Papst Franziskus 

Macht der Besitzenden gegenüber den Armen
(also auch der Kirche gegenüber MB-Betroffenen… Anm. der Red.)

Wer von uns spürt nicht ein Unbehagen, wenn er auch nur mit dem Wort „Armut“ konfrontiert wird? Es gibt viele Formen von Armut: materielle, wirtschaftliche, geistliche, sozi­ale oder moralische Armut. Der Westen setzt Armut vor allem mit dem Fehlen wirtschaftlicher Macht gleich und wertet diesen „Status“ negativ. Die westlichen Regierungen gründen sich nämlich ganz wesentlich auf die enorme Macht, die das Geld heute gewonnen hat: eine Macht, die anscheinend jeder anderen überlegen ist. Darum bedeutet das Fehlen wirtschaftlicher Macht Bedeutungslosigkeit auf politischer, gesellschaftlicher und sogar menschlicher Ebene. Wer kein Geld besitzt, wird nur danach eingeschätzt, wieweit er zu anderen Zwecken dienen kann. Es gibt viele Arten von Armut, den größten Abscheu erregt aber die wirtschaftliche Armut. 

Geld kann das Vermögen der Freiheit erweitern 

Darin liegt eine tiefe Wahrheit. Das Geld ist ein Mittel, das in gewisser Weise – wie das Eigentum – das Vermögen der menschlichen Freiheit erweitert und steigert, insofern es sie in die Lage versetzt, zu wirken, zu handeln und zu Ergebnissen zu kommen. Für sich genommen ist es ein gutes Mittel, wie fast alle Dinge, über die der Mensch verfügt. Es ist ein Mittel, das unsere Möglichkeiten erweitert. Allerdings kann dieses Mittel sich gegen den Menschen wenden. Geld und wirtschaftliche Macht können nämlich auch ein Mittel sein, das den Menschen vom Menschen entfernt und ihn auf einen egozentrischen und egoistischen Horizont begrenzt. 

„Mammon“ – Güter, die man für sich allein behält 

Das aramäische Wort, das Jesus im Evangelium verwendet – mammona, d.h. verborgener Schatz (vgl. Mt 6,24; Lk 16,13) –, lässt das verstehen: Wenn die wirtschaftliche Macht ein Mittel ist, das Schätze produziert, die man für sich allein behält und vor den anderen verbirgt, dann produziert sie Ungleichheit und verliert ihren ursprünglichen positiven Wert. Auch der griechische Begriff harpagmos, den der hl. Paulus im Brief an die Philipper (vgl. Phil 2,6) verwendet, verweist zurück auf ein Gut, das eifersüchtig für sich behalten wird, oder direkt auf die Beute, die man durch Beraubung der anderen gemacht hat. Das geschieht, wenn Güter von Menschen eingesetzt werden, die Solidarität nur mit dem eigenen Bekanntenkreis – wie klein oder groß der auch sein mag – kennen, oder wenn es sich darum handelt, Solidarität einzufordern, aber nicht sie anzubieten. Das geschieht, wenn der Mensch, der die Hoffnung auf einen transzendenten Horizont verloren hat, auch den Geschmack an der Unentgeltlichkeit verloren hat, den Geschmack, das Gute zu tun, weil einfach Schönheit darin liegt, es zu tun (vgl. Lk 6,33 ff.). 

Egoismus des Menschen wendet sich gegen ihn selbst 

Wenn der Mensch hingegen gelernt hat, die fundamentale Solidarität zu üben, die ihn mit allen anderen Menschen verbindet – daran erinnert uns die Soziallehre der Kirche –, dann weiß er, dass er die Güter, über die er verfügt, nicht für sich behalten kann. Wenn er habituell solidarisch lebt, weiß der Mensch, dass das, was er anderen verweigert und für sich behält, früher oder später sich gegen ihn selbst wendet. Im Grunde deutet Jesus das im Evangelium an, wenn er auf den Rost oder auf die Motte anspielt, die die egoistisch festgehaltenen Reichtümer zerfressen (vgl. Mt 6,19-20; Lk 12,33). 

Quelle:

Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus
Bücher.de, PDF
Im Sinne der Katholischen Soziallehre spricht sich Müller für eine solidarische, gerechte und mitmenschliche Gesellschaft aus und beleuchtet, welche …


Dokument 5 – ab September 2000

Was wäre die Kirche ohne ihre engagierten Gläubigen, die sich vereinen, die Lehren vermehren und ihren Nachwuchs in das System der Gefahren einspeisen. Die dafür sorgen, dass die falschen Prediger weiterhin gehört und geehrt werden? Das hier ist ein Konkurrenzunternehmen zum mächtigen ZDK, Laien die den unverfälschten und ungekürzten Glauben versprechen.

Wo waren sie, als die Kinder hilflos den Priestern ausgeliefert waren? Wer von ihnen hat den Kindern geglaubt, geholfen, sie gerettet? 
Wer hat den Eltern dieser Kinder geglaubt, wenn sie Übergriffe durch einen Priester anzeigten. Und wo sind sie heute, um die verletzten Erwachsenen zu unterstützen?
Warum konnte es so vielen Kindern passieren.

Vielleicht weil die Täter und Vertuscher mitten unter ihnen saßen? 

Die Liste der Prominenz, die mit im Kuratorium saßen und nichts gesehen und geahnt hat, erscheint in diesem Zusammenhang besonders lesenswert.

Forum Deutscher Katholiken

Das Forum Deutscher Katholiken ist ein eingetragener Verein nach deutschem Recht, der am 30. September 2000 in Fulda gegründet wurde. Es wurde von Hubert Gindert initiiert, der Vorsitzender und Sprecher des Forums ist und den Verein als Konkurrenzorganisation zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken gegründet.

Zielsetzung

Das Forum richtet sich nach Eigenangaben an engagierte Laien in der römisch-katholischen Kirche, die sich zum „unverfälschten und unverkürzten“ Glauben bekennen, wie er im Katechismus der Katholischen Kirche zusammengefasst sei. Durch Kongresse und andere Veranstaltungen will das Forum „Menschen zusammenführen mit dem Ziel der Förderung des katholischen Glaubens nach der Lehre der Kirche“. Auf ihrer Webseite heißt es: „Wir sehen einen Neuanfang nicht in der Fortsetzung von Strukturdebatten und Satzungsdiskussionen, sondern in persönlicher Umkehr, in geistlicher Erneuerung, im Glaubensgehorsam und in der Loyalität gegenüber dem Heiligen Vater und den mit ihm verbundenen Bischöfen.“ Mit dem Petersdom im Logo will das Forum seine Verbundenheit mit dem Papst zum Ausdruck bringen. Die Monatszeitschrift Der Fels wurde zuletzt im Januar 2021 als „das Sprachrohr des Forums Deutscher Katholiken“ bezeichnet.

Nach 2021 ist eine Verbindung zwischen Zeitschrift und Verein nicht mehr offen ersichtlich.

Wichtigste Veranstaltung des Forums ist der seit 2001 jährlich stattfindende Kongress Freude am Glauben, der von Alois Konstantin zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg geleitet wird und 2014 vom seinerzeitigen Präfekten der GlaubenskongregationGerhard Ludwig Müller, eröffnet wurde. Die Kongresse fanden in Fulda und Regensburg statt, wobei der Diözesanbischof und andere geistliche Würdenträger als Zelebranten oder Referenten mitwirkten. Beim Kongress 2002 war Joseph Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI.Zelebrant der Abschlussmesse. Der Kongress von 2006 hatte circa 1800 Teilnehmer. 

2009 wurden in einer Resolution Muslime als natürliche Verbündete im „Kampf gegen eine Kultur des Todes“ bezeichnet. Mitglieder beider Religionen müssten sich gemeinsam den „zahlreichen Herausforderungen stellen, die eine gottferne Zeit uns aufgibt“. Nicht der Islam, sondern die „systematische Verdrängung des christlichen Glaubens aus der Politik und dem öffentlichen Leben, die zu einer geistigen Immunschwäche Europas führt“, sei die gefährlichste Bedrohung Europas.

Kuratorium

Zum Kuratorium gehören: 

Verstorbene Kuratoriumsmitglieder: 

Bemerkenswert ist das Engagement von Peter Gauweiler, der selbst evangelisch ist, und von Andreas Späth, der zur konservativ-lutherischen Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis gehört.

Kontroversen

2007 wurde die Teilnahme von Eva Herman als Gastrednerin des siebten Kongresses Freude am Glauben u. a. von Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kritisiert. Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel legte aufgrund des Auftritts seine Schirmherrschaft für diesen Kongress nieder.

Der Verein verteidigte im selben Jahr Bischof Walter Mixa, der wegen Äußerungen zu Familienpolitik in die Kritik geraten war. 2019 veröffentlichte das Forum bei seinem Kongress „Freude am Glauben“ in Ingolstadt eine Resolution, die sich laut dem Augsburger-Allgemeine-Journalisten Daniel Wirsching „wie ein AfD-Papier liest“, denn darin sei von einer „Keule der ‚political correctness‘“ und einem „zwangsfinanzierten Staatsfunk“ die Rede. Weiterhin wird in der Resolution der Begriff der „Gedankenpolizei“ benutzt und es heißt darin, „Pressevertreter […] kommentieren so, als ob sie zum bezahlten Hofstaat der Regierung gehörten“, was die Publizistin Liane Bednarz als „absurd“ und „in Richtung Verschwörungstheorie gehend“ bezeichnete. Die katholischen Bischöfe Rudolf Voderholzer und Gregor Maria Hanke, die auf diesem Kongress „Freude am Glauben“ anwesend waren und Gottesdienste hielten, unterzeichneten laut Bednarz die Resolution zwar nicht, distanzierten sich jedoch auch nicht davon.

Literatur


Dokument 6 – 2004 bis 2022

Die Wetter-Fahne

Ein Kardinal, der je nach Gelegenheit sich selbst in einem goldenem Rahmen als Schutzengel präsentiert oder den Unwissenden spielt.
Eines so falsch wie das andere und beides zusammen ein Verstoß gegen das 8. Gebot.
Im Volksmund bekannt als „Du sollst nicht lügen“ in Wahrheit abermals „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“
Stimmt für den vorliegenden Fall beides.
Aber mal ehrlich… wer traut schon einem Wetter-Bericht?

2004 Kardinal Wetter in der „Galerie der Engel“ (Bild 16) bei missio:

„Wir brauchen Schutzengel im Kampf gegen Sextourismus und Kinderprostitution, weil gerade Kinder so unverfälschte Augen für Gottes Liebe und seine Schöpfung haben. Alles Erdenkliche muss getan werden, dass ihnen dieser unbeschwerte Blick nicht durch solch schändliche Taten zerstört wird.“
Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising

Sextourismus bricht Kinderseelen
jimcontent.com, PDF-download


2022 Kardinal Wetter entschuldigt sich… (SZ, Katholisch.de etc.)

In der am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme zum Münchner Missbrauchsgutachten räumte Wetter ein, sich vor dem Jahr 2010 nicht eingehend mit den fatalen und zerstörerischen Folgen von Missbrauchstaten für Kinder und Jugendliche auseinandergesetzt zu haben. Das mache für ihn persönlich sein Verhalten als Amtsträger zwar verständlicher, könne es aber nicht rechtfertigen. Denn hätte er anders entschieden, hätte es nicht zu weiteren Missbräuchen kommen können.


Dokument 7  – September 2018

Sr. Katharina Kluitmann, ehem. Vorsitzende der Deutschen Ordenoberenkonferenz am 25. September 2018 mit dem legendären Satz:„Besser, wir werden an Geld arm durch die Unterstützung der Opfer, als dass wir an Liebe arm werden – und nebenbei auch noch am letzten Rest an Glaubwürdigkeit in dieser Sache.“

Die Wahrheit fünf Jahre später ist: wenig Geld für Betroffene, fast keine Aufklärung, aber  zahlreiche Berichte von Betroffene, denen die Rechtsanwälte der Orden mit Verleumdungsklagen drohen und die medial diskreditiert wurden.

 

Ordensobernkonferenz will „null Toleranz“ gegenüber Tätern

Orden in Deutschland intensivieren Missbrauch-Aufklärung

Die neue Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) sind für die Orden ein Signal, die eigene Aufarbeitung noch einmal zu intensivieren. Mit „null Toleranz“ gegenüber den Tätern und ergänzenden Studien.

Schwester Katharina Kluitmann ist seit einigen Wochen Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK). Seit einem Jahr ist sie bereits DOK-Präventionsbeauftragte. Die Provinzoberin der Franziskanerinnen von Lüdinghausen hat an der Vorstellung der Missbrauchsstudie bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda teilgenommen. Nur zum Teil wurde darin auch der Bereich der Orden erfasst: 159 Ordensmänner im Dienst von Bistümern werden des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Zahlen, die weitere Fragen und Aufgaben für die Ordensgemeinschaften zur Folge haben müssen, sagt Kluitmann im Interview mit Kirche+Leben.

Schwester Katharina, Sie waren heute bei der Vorstellung der Ergebnisse der neuen Studie zum Missbrauch in der deutschen Kirche. Was sagen Sie zu den Zahlen?

Eigentlich scheue ich mich vor Betroffenheits-Rethorik. Aber es ist fürchterlich, was da zu hören ist. Mir ist das Thema aus meiner Arbeit in der Psychotherapie für Menschen in kirchlichen Berufen nicht fremd. Trotzdem sind solche Zahlen immer wieder erschreckend. Die Gefahr besteht, dass in einer solchen Studie die Menschen hinter den Zahlen verschwinden. Ich wünschte, es gäbe Worte, um den Opfern unser Mitgefühl auszusprechen. Aber es ist unsagbar, unsäglich. Ein Worte wie „Scham“ reicht da nicht. Das kann für Opfer wie Hohn klingen. Ich war vor einigen Tagen auf einem Kongress von Betroffenen. Mit Hochachtung habe ich wahrgenommen, wie sie es schaffen, mit solchen Erfahrungen zu leben.

Die Studie sagt, dass 159 Ordenspriester im Dienst der Bistümer des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt werden. Hat Sie diese Zahl überrascht?

Leider nein. Denn wir wissen um den Missbrauch auch in Ordensgemeinschaften. Wobei die Situation bei Männer- und Frauenkongregationen unterschiedlich ist. Auch gesamtgesellschaftlich sind die Täter sexualisierter Gewalt überwiegend Männer. Bei Ordensfrauen kommt das Thema vor allem im Kontext von Heimen vor. Dazu hat es bereits 2016 eine unabhängige Studie gegeben, die von den Orden unterstützt wurde. Aber es gibt Ordensbereiche, die noch nicht durch Studien erforscht sind.

Was haben Sie vor, um die Ergebnisse der MHD-Studie für den Bereich der Orden zu konkretisieren?

Jetzt, unmittelbar nach Erscheinen des über 360-seitigen Werkes, ist es für Detailaussagen noch zu früh. Die DOK plant, sich mit externen Experten der Studie zu widmen. Unter Experten verstehen wir sowohl Wissenschaftler als auch Betroffene. Wir müssen schauen, ob Parallelstudien erfolgversprechend sind. Wir müssen als Orden da überlegen, was sinnvoll und leistbar ist.

VIDEO: Drei Fragen an Schwester Katharina Kluitmann zur Missbrauchsstudie der DBK.

Was meinen Sie mit sinnvoll und leistbar?

Es wird darum gehen, die Ordenslandschaft differenziert zu betrachten und exemplarische Studien zu machen. Manche Gemeinschaften sind in einem derartigen Sterbeprozess, dass die letzten im Altenheim gepflegt werden. Da ist weder Aufarbeitung möglich, noch Prävention nötig. Manche Gemeinschaften haben nie in Arbeitsfeldern gearbeitet, in denen es zu Missbrauch im dienstlichen Kontext kommen konnte. Es gibt aber auch die Gemeinschaften, wo wir genau hinschauen müssen. Das sind jene, die keine Institutionen haben, in denen sie mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen. Sie sind aber in der Einzelseelsorge aktiv – in der Messdienerarbeit oder auch in den Wallfahrtsorten. Die sind in der Aufarbeitung, in der Prävention und in der Forschung viel schwerer zu fassen.

Und was ist mit den Ordensgemeinschaften, die in Institutionen arbeiten?

Da die Institutionen auch der staatlichen Aufsicht unterliegen, ist hier zusätzlich eine externe Kontrolle institutionalisiert. Wobei auch Richtung Staat noch Wünsche offen sind. Man denke nur an die Verjährungsfristen, die es in vielen Fällen unmöglich machen, zu ermitteln. 

Wie wollen Sie in den Orden mit den Tätern umgehen?

Es gibt null Toleranz, was den Kontakt mit Kindern und Jugendlichen angeht. Täter aus Ordensgemeinschaften werden auch kirchliche Ämter nicht mehr einnehmen. Es ist aber zu fragen, ob ein Ausschluss aus der Ordensgemeinschaft sinnvoll ist. Allein schon aus Gründen der Kontrolle muss das diskutiert werden. Denn die meisten Täter können durch Verjährung strafrechtlich nicht mehr belangt werden. Ein allein lebender Täter ist aber gefährlicher, als ein Täter, auf den die Ordensgemeinschaft ein Auge hat. Wir müssen an dieser Stelle Verantwortung übernehmen und weitreichender handeln als staatliches Recht.

Können Ordensgemeinschaften das leisten?

Ich glaube nicht, dass es ein totale Kontrolle für die Täter gibt. Aber bei der Auswahl einer passenden Gemeinschaft, der richtigen Lage des Klosters und den geeigneten Aufgaben für den Ordensbruder oder die Ordensschwester kann Kontrolle besser gelingen, als wenn sie allein leben.

Wie wollen Sie weiter auf Opfer zugehen?

Wir wollen auf keinen Fall die Menschen hinter den Zahlen vergessen. Aber selbst wenn wir alles tun, wird es angesichts des oft lebenslangen Leids der Opfer immer noch zu wenig sein. Gemeinschaften müssen sich jetzt mit der Last der Schuld deshalb intensiv beschäftigen. Daran darf kein Weg vorbeiführen. Um es pointiert zu sagen: Ordensobere dürfen das Gespräch mit Opfern nicht verweigern, nur weil sie dann drei Nächte nicht schlafen können. Die Opfer können oft Jahrzehnte nicht schlafen – und haben keine Wahlmöglichkeit. Wäre es nicht angemessen, das Gespräch aktiver anzubieten? Oder gar zu fragen: „Was würde Ihnen jetzt helfen?“ Die finanzielle Seite ist dabei klar: Besser, wir werden an Geld arm durch die Unterstützung der Opfer, als dass wir an Liebe arm werden – und nebenbei auch noch am letzten Rest an Glaubwürdigkeit in dieser Sache.

Wie wirken sich die Zahlen und Fakten auf die Atmosphäre in den Ordensgemeinschaften aus?

Es ist für die Gemeinschaften enorm belastend, wenn überführte oder beschuldigte Täter in ihrer Mitte leben. Solche Gemeinschaften brauchen Unterstützung, um darüber sprechen und die Situation aushalten zu können. Aber auch über die direkt betroffenen Ordensgemeinschaften hinaus erlebe ich ein großes Erschrecken über die Entwicklungen und Vorgänge.

Was glauben Sie müssen die Orden künftig anders machen?

Wir müssen schneller und gründlicher aufarbeiten. Wo nötig auch wissenschaftlich. Es geht neben der konsequenten Opferperspektive vor allem weiter um eine bestmögliche Präventionsarbeit. Die haben wir in den vergangenen Jahren schon stark intensiviert. Es gibt bereits viele Gemeinschaften, die sich vorbildlich um diesen Bereich bemühen. Als so etwas wie ein Dachverband versucht die DOK die Mitglieder in ihren verschiedenen Situationen in ihrer Aufarbeitung und Prävention zu vernetzen und zu unterstützen. Auch hat sie immer mal wieder einen angemessenen Umgang mit Opfern angemahnt, wo Ordensgemeinschaften nicht ausreichend kooperativ waren. Wir werden das weiter vorantreiben und interne wie externe Unterstützung anbieten.

Wird man den Missbrauch damit in den Griff kriegen?

Ganz wird das wohl nie gelingen. Aber damit es annähernd erreicht werden kann, muss es einen tiefgreifenden Wandel geben. Der Missbrauch ist ein Symptom für eine tiefere Krankheit in der Kirche. Und die muss behandelt werden, nicht nur das Symptom – aber das natürlich auch! Die Erneuerung der Kirche ist bestenfalls am Anfang: immer noch zu viel Macht und zu wenig Evangelium! Die Orden haben da gute Ansätze, aber ich schließe uns ganz bewusst in die Kritik mit ein. Wir haben Anteil an der Schuld des einzelnen, der Institutionen und Strukturen. Vielleicht hilft uns der derzeitige Einbruch bei vielen Orden, dass wir bei der Aufarbeitung bescheidener und demütiger werden. Und so endlich dem Evangelium näher kommen.

Interview: Michael Bönte


Dokument 8 – März 2014

Bischof Karl Lehmann als Schirmherr einer Traumatologen-Tagung in Mainz 2014

Wir sind Viele
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Trauma-Fachtagung. 28.-29.03.2014. Mainz, Schloß Waldthausen. Wir sind Viele. Opfer ritualisierter Gewalt und organisierter Pädokriminalität. MINISTERIUM.

Fortsetzung folgt…

  • z.B. Herr Ratzinger und die Traubensafterlaubnis
  • Herr Ackermann und die Entschädigungslüge
  • Herr Wölki unter Verdacht auf Meineid

Die Liste ist noch längst nicht vollendet, und wenn wir auf neue interessante Fundstücke stoßen, in denen sich Worte und Taten der Geistlichen widersprechen, werden wir sie ergänzen, denn sie sind alle Werke der Katholischen Kirche, die so gar nicht das hält was sie ihren Gläubigen verspricht.


Mai 2023

Der Münchner Protz-Bär des ZBFS – ein Mahnmal für das Versagen des Staates damals wie heute!

Von Diana di J.

Was tut der Staat für ehemalige Heimkinder, die unter seiner Obhut und misslungenen Heimaufsicht misshandelt und sexuell missbraucht wurden?

Er arbeitet zusammen mit den Kirchen und verweigert wirkliche Hilfe.

Das neueste Beispiel: ein Mahnmal, als „Gedenkkultur“.

Weil in Bayern alles etwas prunkvoller glänzen muss, auch das Nichtstun, gibt es jetzt einen unübersehbaren überdimensionalen Goldenen Bären vor dem Familienministerium, in dessen Ohr ein QR-Code auf die hässlichen Zeiten in den deutschen Kinderheimen der 50er bis 70er Jahre hinweist.
Ausgerechnet der Teddybär, der das Kuschel- und Trosttier Nr. 1 vieler Kinder in den ersten Lebensjahren darstellt, muss für die Selbstdarstellung einer Behörde, die eklatant versagt hat und es noch immer tut, herhalten.
Kindern, die in  in den Heimen millionenfach gelitten haben und von der Gesellschaft jahrzehntelag vergessen wurden, durften Spielsachen nur an Weihnachten haben. Manche kamen von Angehörigen, viele wurden gespendet, z.B. von stationierten Amerikanern u.ä. 
Danach nahmen es die Nonnen und Ezieherinnen den Kindern wieder weg, denn Enteignung und Depersonalisierung dienten durchgängig für die Gängelung der Zöglinge. 
Der Schmerz, den ein Kind verspürt, wenn ihm etwas Schönes wieder genommen wird, vergisst es ein Leben lang nicht mehr, genau wie die anderen Demütigungen, Schläge, Gewalterlebnisse, die sich in Körper und Seele auf immer einbrannten.

Die Schadenersatzleistung, die Staat und Kirche für ihr Versagen anbieten, bleiben bis heute weit hinter den unbezahlbaren Verlusten an Lebensqualität, beruflichen Möglichkeiten und sozialer Eingebundenheit zurück.
Der goldene Bär verweist nun  unter anderem auf die vollmundigen Hilfen des ZBFS, die außer Beratungsgesprächen und Aufarbeitungsangeboten nichts anzubieten haben, denn finanzielle Leistungen zur Lebenserleichterung gibt es dort nicht. Es gibt lediglich Hinweise auf das Opferentschädigungsgesetz.
Nur wer damit schon in Berührung gekommen ist, weiß was das bedeutet und welche Hürden speziell in Bayern von unqualifizierten Verwaltungsmitarbeitern (die sich auch noch einer „Spezialstelle“ für Missbrauchsopfer in Bayreuth rühmen) aufgebaut werden, um die meisten Anträge im Keim ersticken und ablehnen zu können.
Wie weitreichend die traumatisierenden Folgen eines solchen OEG-Antrages gehen, hat der Weiße Ring in einer Recherche 2020-2022 erforscht und bundesweit publik gemacht.

Mittlerweile gestehen auch manche Behörden und Justizmitarbeiter das eigene Versagen bei der Umsetzung dieses Gesetzes ein und wollen mit dem neuen Entschädigungsrecht SGB XVI alles besser machen. Ob das gelingt, wird erst in fünf Jahren sichtbar sein, sagte eine Richterin des Bundessozialgerichtes jüngst bei einer Tagung zum Thema.
Für die laufenden Anträge der letzten Jahrzehnte, die noch bis Ende 2023 laufen, wurde allerdings keine Lösung gefunden. 
Traumatisierte Menschen, die aus eigener Tasche Anwalts- und Gutachterkosten im fünfstelligen Bereich mit ihren knappen Mitteln bestreiten und jahrzehntelang teilweise sehr demütigende Gerichtsverfahren überleben müssen, werden nach wie vor alleine zurück gelassen.
Die meisten Betroffenen haben wenig Chancen gegen die florierende und interessengeleitete Gutachterindustrie ihr Recht auf Entschädigung durchzusetzen. Mit einer Entscheidung des BGH von 1999(!) werden Betroffenen sexualisierter Gewalt, die situationsbedingt oft keine Zeugen haben, in schöner Regelmäßigkeit mittels Aussagepsychologie mangelnde Glaubhaftigkeit und Scheinerinnerungen unterstellt. 
Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Traumatologie und Neurowissenschaften, welche u.a. klarmacht, dass Aussagepsychologie bei komplex traumatisierten Menschen das falsche Mittel zur Wahrheitsfindung ist, werden von den einschlägigen Gutachtern ignoriert oder bekämpft. 

Es gibt keine Beschwerde- und Monitoringstellen für solche belastenden und oft fehlerhaften Verfahren. Trotz einer groß angelegten Petition Betroffener werden solche Qualitätsprüfungen von den Ländern nach wie vor abgelehnt. 

Es deutet also alles darauf hin, dass der Staat das Gesetz absichtlich sabotiert., um Geld zu sparen. Dem Grunde nach bietet das Opferentschädigungsgesetz zahlreiche Unterstützungsleistungen an, aber die Anerkennung der Ansprüche Betroffener wird mit struktureller Staatsgewalt vereitelt.

Die Versäumnisse der staatlichen Behörden bei den Heimkindern ist besonders eklatant. Sie bilden einen sehr ungesunden Bodensatz dieser Gesellschaft, den auf der politischen Ebene niemand wahrhaben wollte und auch heute noch nicht will. Der Vergleich des Umgangs mit den rostenden Atommüllfässern in der Asse drängt sich geradezu auf.

Ein goldglänzender Bär, der mit seiner Bedeutungsschwere bei Betroffenen nur das Gefühl auslöst, wieder einmal um echte Anerkennung betrogen zu werden, wird nun auch der Gesellschaft aufgebunden. Er soll sagen, „seht her, was WIR alles für ehemalige Heimkinder tun“ und blendet mit seinem Glanz über die Lebens-Wirklichkeit der Betroffenen in diesem empathielosen und selbstherrlichen Staat hinweg.

Wer sich keinen Bären aufbinden lassen will und sich für die Wahrheit interessiert, kann in den folgenden Links weiterlesen. 

In diesem Zusammenhang möchten wir auch besonders auf das Buch von Sylvia Wagner: Heimgesperrt hinweisen, in dem viele Kinderheim-Wahrheiten stehen. Absolut lesenswert!


Goldener Bär als Mahnmal gegen Gewalt und Missbrauch …
Münchner Kirchenzeitung
Ein großer, goldglänzender Bär soll künftig als öffentliches Mahnmal an das Leid von Menschen erinnern, die in ihrer Kindheit Gewalt …


Es interessiert die Behörden nicht, wie man da durchkommt
Forum Opferhilfe


Buch: Ein erkämpftes Leben
Correctiv
25.04.2023 — Buch: Ein erkämpftes Leben. Wie ein früheres Heimkind als Pharmazeutin Medikamentenversuche in deutschen Kinderheimen aufdeckte – und jetzt …


Bundesweite Petitionen zum Opferentschädigungsgesetz (OEG)
petitionen-oeg.de
Sie hat eine solche in Bayern eingereicht. Es geht um das Opferentschädigungsgesetz (OEG). Ziel der Petition ist die „Etablierung einer externen, unabhängigen …


Dieses Buch erschien bereits vor fast einem Jahrzehnt. Dann verschwand die Thematik wieder aus dem öffentlichen Bewußtsein……
„Weihnachten war immer sehr schön“: Die Kinderheime …
Amazon
Weihnachten war immer sehr schön„: Die Kinderheime der Landeshauptstadt München von 1950 bis 1975 | Rädlinger, Christine, Strobl, Christine, Kurz-Adam,…


Hier werden finanzielle Hilfen vom Stadtjugendamt München ausgezahlt, das Landesjugendamt hingegen (zuständig für Heime in ganz Bayern) hat in dieser Richtung nichts vorgesehen.


München: Expertenkommission soll Missbrauch an …
www.sueddeutsche.de
19.11.2021 — Das Münchner Jugendamt steht im Zentrum der Aufarbeitung, relevant sind aber unzählige weitere Akteure der Jugendhilfe, in deren Einrichtungen …