Das Beichtgeheimnis

oder

Der Geruch priesterlichen Ejakulats

In Frankreich wird in diesen Tagen darüber beraten, ob das Beichtgeheimnis der Katholischen Kirche über dem Gesetz des Staates Frankreich steht.
Der Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort, Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz, bejaht die Frage mit der unerschütterlichen Arroganz eines hochrangigen Klerikers.
Der Innenminister Gérald Darmanin verneint dies im Auftrag von Präsident Macron.

Auslöser für diese Debatte ist die Studie, die besagt, dass ca. 330.000 Kinder in Frankreich Opfer sexueller Übergriffe durch Kirchenpersonal wurden.
Bei Vorstellung der Studie sagte Francois Deveaux, der Gründer der Betroffenengruppe im Sinne des Gruppennamens „La Parole Liberée“:

Meine Herren, Sie sind eine Schande für die Menschlichkeit.“

Der Papst begann sich daraufhin öffentlich zu schämen und beteuerte einmal mehr, wie wichtig es sei, die Betroffenen in den Mittelpunkt der Debatte zu setzen……
Ich betrachte alles aus dem braven Deutschland, in dem sich kein Politiker in die Kirchengeschäfte einmischt, solche Debatten also gar nicht begonnen werden.
Bischöfe (wie Marx, Woelki, Heße, Schwaderlapp) bleiben trotz nachgewiesener Pflichtverletzungen auf ausdrücklichen Wunsch des (sich für Frankreich schämenden) Papstes im Amt und eine angeblich kirchenunabhängige Expertenkommission für die „Anerkennung des Leids“ erzeugt seit Monaten grob fahrlässig neues Leid bei den Antragstellern.

Das ist Deutschlands Definition vom Mittelpunkt.

Beschwerden, Hilferufe und Brandbriefe der Betroffenen werden nicht ernst genommen. Weder die bereits vielfach erlittenen Retraumatisierungen, noch drohende Suizide derer. die das Warten und Vertrösten nicht mehr ertragen können.
Kranke Menschen sterben bevor die Kommission ihre Entscheidung fällt und andere stellen schon keinen Antrag, weil sie sich aus intuitivem Selbstschutz das lange Warten auf Tag X ersparen wollen.
Während uns täglich von den Bischofsstühlen der kalte Wind der klerikalen Verständnis- und Empathielosigkeit entgegenweht, darf im benachbarten Frankreich der Betroffene Deveaux zur selben Zeit öffentlich fragen, „ob vielleicht das Leben ohne Frauen die männlichen Kleriker emotional derart verkümmern lässt….“
Der französische Laizismus zeigt, was er kann!

Aber zurück zum Beichtgeheimnis.

Es sind viele Orte bekannt geworden, wohin manipulative Kleriker ahnungslose, ihnen vertrauende Kinder lockten oder befahlen, um sich an ihnen zu befriedigen.
Und auch die Taten waren so vielseitig, wie es die sexuelle Natur des Menschen zulässt.

Sozusagen grenzen-los:

– Vom Keller bis zum Dachstuhl in Kinderheimen und Internaten,
in welchen Ordensangehörige gegen entsprechende Vergütung
für Zuführung und Stillschweigen der Kinder sorgten.

– In den Betten von Nonnen und Ordensbrüdern, die sich selbst
nicht mehr genügten und dem zwangsverordneten Zölibat erst
recht nicht….

– Von der Sakristei bis auf dem Altar, im Pfarrhaus, im Ferienlager,
im Wald.

– In den Kinderzimmern der Familien, zu denen der hoch verehrte
und als Freund getarnte Gemeindepriester Zugang hatte.

– Auf Kirchweihfesten, bei denen das Kind (zum Stolz der
gegenübersitzenden Eltern) auf dem Schoß des Herrn Pfarrers
sitzen durfte, während er unter dem Tisch seine Finger in die
Vagina oder den After des Kindes steckte, das vor aller Augen
erstarrte, ohne dass jemand seine Not wahrnahm.

– Im Auto, wenn der gute Herr Pfarrer die Kinder zur Schule
mitnahm und Kinder auf dem Rücksitz zu schweigenden
Komplizen machte, weil sie sahen, wie er dem Kind auf dem
Beifahrersitz in die Hose und den Genitalbereich fasste.

Und natürlich auch im Beichtstuhl.

Von Liebesbekundungen, Befummeln, Zungenküssen, in die Öffnungen eindringen – mit Fingern und geweihten Gegenständen, – bis zur brutalen Vergewaltigung, einzeln oder in Gruppen, mit Herstellung von kinderpornografischen Filmen und Fotografien.
Es gibt nichts, was geweihtes Personal an Perversitäten und verbrecherischen Handlungen mit Kindern ausgelassen hat.
Weder in Deutschland noch in Frankreich, Irland, Kanada, USA, Chile, weltweit…..
Immer schon und immer noch!
Das sind die kleinen Beichtgeheimnisse der heiligen Herren und Damen, die sich der Welt als Verkünder des Heils mit besonders hohen moralischen Ansprüchen verkaufen.
Überall auf der Welt kosten und kassieren sie ungezügelt, was sie für ihren hochherrschaftlichen Lebensstil und die Insignien Ihrer Macht brauchen.
Die 15.000 Euro, mit denen ein Bischof monatlich offiziell ent- und belohnt wird, plus die Gelder, die sich mit innerkirchlichem Kindesmissbrauch zusätzlich verdienen lassen, kommen selten aus dem kirchlichen Etat, aber gerne hinein.
Die Pervertierung des christlichen Gedanken von Armut und Demut kann man dort beobachten, wo sich Bistümer mit den ortsansässigen Orden um Immobilienbesitz streiten oder Geldwäschen und sonstige Finanzskandale publik werden.
Überall dort, wo Hochmut und Übermut aus den dicken Gemäuern quellen, weil sie sich auch sonst nicht beherrschen, sind die Ansprüche an das Kirchenvolk besonders hoch.
Völlerei und Ausschweifungen wie im alten Rom finden sich auch in Limburg, Paris und Dublin. Der Fisch stinkt immer am Kopf – so auch im hierarchischen Machtgefüge der Katholischen Kirche.
Womit wir beim Ejakulat des Priesters im Beichtstuhl angelangt wären.

Denn es geht ja um das Beichtgeheimnis.

Eines meiner Beichtgeheimnisse geht auf mein sechstes Lebensjahr zurück.
Zu dieser Zeit brachte mich eine Nonne des Kinderheimes regelmäßig zum Beichten.
(Wichtig für Nichtkatholiken; Das Sakrament der Beichte wird offiziell Kindern erst nach der Kommunion im 9./10. Lebensjahr erlaubt! Offensichtlich waren Heimkinder, denen es sonst an allem fehlte, hier auf perfide Weise privilegiert….)
Stickige dunkle Räume mit einem süßlichen Geruch kann ich bis heute nicht ertragen, ohne dass es mir übel wird und mein ganzes System rebelliert.
Der Ursprung liegt mittlerweile 55 Jahre zurück.
Schon oft wurde berichtet, dass Priester auch kleine Kinder bei der Beichte nach ihren sexuellen „Sünden“ befragten.
Selten führen die Berichte aus, was der Priester noch in dem Beichtstuhl auf der anderen Seite des Gitterfensters tut, während er das Kind mit Fragen beschämt, die zu nichts anderem dienen als ihn aufzugeilen. ….
Ich wusste als 6-jährige nicht, warum er beim Befragen immer schwerer atmete und keuchte, warum es nach Schweiß und irgendwann süßlich in dem stickigen Holzkäfig roch.
Ich wusste nur, dass ich nicht entkommen konnte, weil draußen die Kinderheimnonne darüber wachte, dass ich den aufrechten Sarg nicht verließ, bis der Pfarrer mit meiner Befragung und seinen damit verbundenen Angelegenheiten fertig war.
Bis er das frisch erzeugte Salbungsmaterial in seinen Händen hielt, mit welchen er mir am Ende ein Kreuz auf die Stirn zeichnete, mich als sechsjähriges Kind von meinen ungeheuren Sünden befreite und damit vor der Abholung durch den Teufel bewahrte.
Der Geruch der „Salbe“ auf meiner Stirn kommt immer dann in meine Erinnerung zurück, wenn es in einem Raum dunkel und stickig ist.
Dann erzeugt die Erinnerung ein Würgen und zieht viele noch schlimmere Bilder aus der Vergangenheit in die Gegenwart.
Das Einzige, was mich heute als Erwachsene in Zeiten der überflutenden Erinnerungen stabilisiert, sind die Worte, in die ich all das jetzt fassen kann.
Und das gleichsam grausame wie tröstende Wissen, dass ich nicht mehr alleine ausgeliefert bin, wie ich es damals als lebendig begrabenes Beichtgeheimnis ohne Entkommen war.
Ich bin eine von vielen Tausenden oder Millionen, deren Leben nie mehr wurden, was sie einmal hätten sein können, nachdem wir einem gewalttätigen Katholizismus geopfert wurden. Eine meinem Verständnis nach eklatante Fehlinterpretation der Worte Jesu, als er sagte: „Lasset die Kinder zu mir kommen….“

Ich verstehe daher nicht, wie es irgendein Bischof noch wagen kann, das Beichtgeheimnis als ein heiliges Sakrament über die Gesetze des Staates zu stellen, der ihn und seinesgleichen ernährt.
Die Katholische Kirche hat meines Erachtens jede Gnade und jedes Sonderrecht verwirkt.

Damit ist die Debatte beendet.