Edition Lumen

Die Gedichte, die hier eingestellt werden, sind Teil der 7 Anthologien, die in der Edition Lumen veröffentlicht wurden. Die Autoren wollen anonym bleiben. Wenn Sie auf diese Gedichte zurückgreifen möchten, würden wir uns über eine kurze Nachricht freuen. Sie sind frei verfügbar, dennoch sollte der Quellennachweis erhalten bleiben.


Das Schweigen

Das Schweigen ist eure ungebrochene Macht,
wie viel Nichtgesagtes hat schon Verzweiflung gebracht,
wie viel Un- und Missverständnis, wie viel Leid
wisst Ihr eigentlich, wie grausam ihr in eurem Schweigen seid?

Ihr braucht keine Waffen, braucht mich nicht zu schlagen
ihr braucht nur kein einziges Wort zu mir zu sagen,
wenn ich mit euch reden und klären will,
stehen ganz plötzlich euere Münder still,
die sonst unaufhörlich – hinter meinem Rücken oft –
die Wahrheit sprachen, die ich mir von euch erhofft.

Dabei weiß ich, allein durch das Sprechen,
lässt sich manch trennende Mauer durchbrechen,
verschwinden die Geister falscher Interpretation,
erntet man Verständnis, Miteinander und Liebe als Lohn.

Warum nur zieht Ihr euch ins Schweigen zurück,
schwelgt in des Machtkampfes vermeintlichem Glück?
Warum seid Ihr nur hinter euren Mauern stark?
„Das Land des Schweigens“ heißt euer Vergnügungspark.
lebt in den dunklen Höhlen der Lügen und Intrigen,
freut euch an gemeinsamen Ausgrenzungssiegen.

Verletzt mich, die ich offen und unbewaffnet vor euch stehe,
gesprächsbereit, auf der Suche nach Verständnis und Nähe.
Ihr werft mich hinaus, schlagt eure Türen zu,
entledigt euch meiner für eure blinde Seelenruh‘,
die nicht sieht, dass Schweigen keine dauerhafte Lösung ist,
sondern langsam – wie Salpeter – erst eure Mauern
und am Ende eure eigenen Herzen zerfrisst.


An die Zurückgelassenen

Die Freiheit zu ertragen wie sie ist,
ohne garantierten Schutz und Geborgenheit,
war mein selbst gewählter Weg und – höre, staune –
er führte mich weit.

Sie nannten mich „verrückt – undankbar!
Orientierungslos – selbstsüchtig – resigniert.“
die voneinander abhängige Schar,
die nie ein eigenes Leben riskiert.

Die nicht weiß, was es heißt, alleine zu sein,
weil man ihren Preis nicht zahlen kann,
weil meine Seele immer um Hilfe schrie,
sobald ich in die Nähe von Abhängigkeit kam.

Sie vergiften ihre Lebenstage mit Drogen,
mit Zigaretten, Kaufsucht, Sex und Alkohol,
werden um die wahren Gefühle betrogen
und behaupten dennoch, sie fühlten sich wohl.

Ich ertrug nicht zu sehen ihre geschaffenen Zwänge
mit den Süchten, die ihre Schmerzen lindern,
die Ohnmacht in ihrer künstlichen Welten Enge,
deren Grenzen ein freies Leben verhindern.

Ich brach sie alle, die alten Muster und Traditionen,
die Tabus, Meinungen und falschen Höflichkeiten,
die Ketten gesellschaftlicher Manipulationen
und wanderte in die sich dahinter öffnenden Weiten.

Dort fand ich die, die schon vor mir dorthin gegangen,
Freunde für’s Leben, frei, unkonventionell und geächtet wie ich
und ich würde mir wünschen
– eines Tages –
brichst Du die Ketten
und dann treffe ich an jenem Ort auch Dich!


Fluss des Lebens

Große Tränen, kleine Tränen – literweise
drängen aus dem Dunkel an das Licht,
befinden sich auf einer langen Reise
sie länger in mir halten kann ich nicht.

Zu lange waren sie geduldig still
in den Tiefen meiner Seele,
folgten Jahre dem Befehl: „Ich will,
egal wie sehr ich mich und andere quäle“

Sie wurden unterdrückt und nicht gehört,
ganz gleich, was ich tat und wohin ich ging,
ihre Gegenwart hätte mich nur gestört,
bei der Droge, an der ich unwissend hing.

Diese Sucht, die sich tückisch „Liebe“ nennt,
und jeden in die Irre führt,
der in ihre offenen Arme rennt
und sich am Ende nicht mehr spürt.

Einzig Tränen, die nach innen fließen,
sammeln alles wie Erinnerungen,
und nur durch das Zusammenschließen,
haben sie die Kraft errungen,
mit der sie jetzt nach außen drängen,
wie ein starker Strom durch Felsgestein,
befreien mich von meinen Zwängen
waschen meine Seele rein.

Große Tränen, kleine Tränen – literweise
drängen aus der Tiefe an das Licht.
Nehmen mich mit auf ihre Reise,
länger in mir halten brauche ich sie nicht.

Wir schwimmen Richtung echtes Leben,
lernen eine einzig wahre Liebe kennen,
spüren Wärme, können wieder Nähe geben
und die Gefühle bei ihrem Namen nennen.

Große Tränen, kleine Tränen
nicht eine umsonst geweint,
haben mich nach langem Sehnen
wieder mit den Menschen vereint.